Der Fachverband für ambulant
begleitete Wohngemeinschaften
9. Januar | Aktuelles, News, Presse

ERGO wig Zukunftspreis 2016 für innovative WGs: „Ein Segen für Stadt und Nachbarschaft“

Unser Foto zeigt die Preisträger des ersten ERGO wig Zukunftspreises im Dezember 2016, begleitet vom Hauptsponsor ERGO Versicherungen und dem wig Vorstand: wig-Vorstand Volker Hülsewiesche, Pflegedienstleiter Andreas Wyrtki (Mehrgenerationenhaus Borchen) und Begleitung, die wig-Vorstände Claudius Hasenau und Christel Schneider, Preisträger Medimobil-Geschäftsführer Hans-Jürgen Block (Haus am Märchenweg), ERGO-Vertriebleiter Markus Bernhard und Barbara und Martin Leib (Senioren-Wohngemeinschaft Hohenlimburg).

Herzlichen Glückwunsch den ersten Preisträgern! Über die gelungene Premiere freuen sich (von links) wig-Vorstand Volker Hülsewiesche, Pflegedienstleiter Andreas Wyrtki (Mehrgenerationenhaus Borchen) und Begleitung, die wig-Vorstände Claudius Hasenau und Christel Schneider, Preisträger Medimobil-Geschäftsführer Hans-Jürgen Block (Haus am Märchenweg), ERGO-Vertriebleiter Markus Bernhard und Barbara und Martin Leib (Senioren-Wohngemeinschaft Hohenlimburg). Foto: Andreas Weiss/wig

Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft NRW vergibt ersten ERGO wig-Zukunftspreis – Projekte punkteten mit Mieterorientierung, Quartiersbezug und Wirtschaftlichkeit

Die Würfel sind gefallen: Auf seiner 8. Jahrestagung unter dem Titel „Perspektiven ambulant betreuter Wohngemeinschaften in Nordrhein-Westfalen“ vergab der Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft NRW den ersten ERGO wig Zukunftspreis für Wohngemeinschaften mit besonders innovativen Konzepten und Ideen. Der mit 5.000 Euro dotierte erste Preis ging an das „Haus am Märchenweg“, eine in einer Kirche untergebrachte Wohngemeinschaft für Beatmungspatienten im Duisburger Süden. Mit Ehrenpreisen bedacht wurden außerdem das Mehrgenerationenhaus Borchen der Kolping Akademie für Gesundheits- und Sozialwesen in Paderborn und die Senioren-Wohngemeinschaft Villa Hohenlimburg, eine ambulant betreute Wohngruppe in Hagen. Auch 2017 soll der ERGO wig Zukunftspreis wieder vergeben werden.

Es war der Tag, an dem die Bürger von Duisburg-Bissingheim ihren Ohren nicht trauten. Die Glocke der evangelischen Kirche am Märchenweg läutete wieder!  Dabei stand das entweihte Gebäude doch seit mehr als 14 Jahren leer. Sie kamen herbei und staunten: In der Kirche hatten Handwerker das Sagen übernommen. Die Medimobil GmbH, ein auf die Begleitung von Beatmungspatienten spezialisierter ambulanter Pflegedienst mit Sitz in Krefeld, hatte die alte Kirche gekauft, um dort eine Wohngemeinschaft für sieben Frauen und Männer zu eröffnen, die aufgrund von Lungenfunktionsstörungen dauerhaft auf Beatmung angewiesen sind.

Im Mai 2016 konnten die ersten Mieterinnen und Mieter einziehen. Medimobil-Geschäftsführer Hans Jürgen Block: „Unser Ziel ist es, den Bewohnern die Möglichkeit zu geben, trotz ihrer Erkrankung und der damit verbundenen Einschränkungen in einem besonderen Ambiente ein gut strukturiertes, abwechslungsreiches soziales Leben führen zu können.“  Er will in Zukunft seinen „kleinen Pitter“ regelmäßig läuten lassen – morgens und abends: „So wie ich es von früher kenne.“

Im ländlichen Bissingheim bleibt die Kirche also wieder im Dorf – auch im übertragenen Sinn. Die WG pflegt einen intensiven Austausch mit der evangelischen Gemeinde des Stadtteils. Im Gebäude findet regelmäßig „der kleine Dorfklatsch“ statt, bei dem die Nachbarn und Mieter zusammenkommen. Auch der angrenzende Kindergarten spielt im Quartierskonzept des „Hauses am Märchenweg“ eine wichtige Rolle.

Laudator: Prof. Dr. Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen. Foto: Andreas Weiss/wig

Neue Perspektiven für
problematische Standorte

Mit ihrem Konzept erfüllte die Medimobil GmbH alle drei Kriterien, die die Jury für den Gewinn des 1. ERGO wig-Zukunftspreises formuliert hatte: Mieterorientierung, Quartiersbezug und Wirtschaftlichkeit. „Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie durch Wohnen im Alter neue Akzente aufgegriffen und in architektonisch besonderer Weise umgesetzt werden können. Bissingheim ist ein historischer Sozialstandort, der vor vielen Jahren für Kriegsopfer errichtet wurde, die es heute so nicht mehr gibt. Das Haus am Märchenweg eröffnet ihm mit intergenerativen Aspekten, mitten im Ruhrgebiet, neue Perspektiven“, sagte Prof. Dr. Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen, in seiner Laudatio. Hilbert erinnerte an vergangene Bergbau-Zeiten, als Lungenkranke am Fenster saßen, um Luft zu schöpfen. Der Begriff „Er ist weg vom Fenster“ bedeutete, dass der Betreffende tot war. Die Medimobil hingegen habe durch ihr architektonisches Konzept für die WG-Mieter ein „Ran ans Fenster“ geschaffen, auch dann, wenn sie bettlägerig seien, sagte Hilbert: „Das hat mich beeindruckt.“

Umzug in WG wird
zur „ersten Wahl“

Ein Ehren-Award ging an die Senioren-Wohngemeinschaft Villa Hohenlimburg aus Hagen, eine ambulant begleitete Wohngruppe „mit Herz“. Unter dem Motto  „Mein neues Zuhause – privat und familiär“ begleiten Barbara und Martin Leib seit 2010 drei Seniorenwohngemeinschaften mit insgesamt 24 Bewohnern. Hier würdigte die Jury „die verschiedenen Wahlmöglichkeiten für die älteren Menschen in einem engen, fast familienähnlichen kommunikativen Verhältnis“. Prof. Dr. Josef Hilbert: „Früher galt der Umzug in eine betreute WG als zweite Wahl. An dieser WG wird deutlich, dass sich das gerade ändert. Die zweite Wahl wird die erste Wahl, weil ein Leben in der WG zusätzliche Lebensqualität und ein besonderes Wohnerlebnis ermöglicht, das allein in der angestammten Wohnung oder auch im Familienzusammenleben nicht mehr gegeben ist.“

Mit dem ERGO wig-Ehrenpreis fuhr auch Andreas Wyrtk nach Hause, Pflegedienstleiter im Mehrgenerationenhaus Borchen, einer Einrichtug der Kolping-Akademie für Gesundheits- und Sozialwesen in Paderborn. Das Mehrgenerationenhaus kombiniert eine Wohngemeinschaft für zehn Frauen und Männer mit zehn barrierefreien Servicewohnungen und einer Kindertagesstätte. Die Jury zeigte sich nicht nur von dem intergenerativen Ansatz des Projekts beeindruckt, sondern auch von der engen Zusammenarbeit mit der Gemeinde. Hier erarbeiten Erwachsene und Kinder zusammen einen „Bücherführerschein“, gemeinsam mit der Grundschule werden Zirkusprojekte veranstaltet. Prof. Dr. Josef Hilbert: „Seniorenimmobilien und das Leben um diese Immobilien herum sind die Hoffnungsschimmer für Innenstädte und von außerordentlichem Gewicht für Stadtentwicklung und Strukturpolitik. So wie in Borchen: Da ist richtig Leben in der Bude!“

Machte Mut, neue Wege zu gehen: Der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf gehört mit seinem Buch „Grau ist bunt“ zu den bekanntesten Botschaftern des gemeinschaftlichen Wohnens im deutschsprachigen Raum. Foto: Andreas Weiss/wig

Weniger Bürokratie –
mehr Miteinander

„Leben in die Bude“ brachte auch Dr. Henning Scherf bei seinem Impulsreferat zur Tagung. Der ehemalige Bremer Bürgermeister gilt seit seinem Bestseller „Grau ist bunt“ (2007) als einer der bekanntesten Botschafter für gemeinschaftliches Wohnen in Deutschland. In Gelsenkirchen machte er den WG-Begleitern Mut, ihrer Überzeugung auch gegen Widerstände zu folgen: „Ihr seid auf dem richtigen Weg!“ Der langjährige Sozialsenator appellierte für lokale Allianzen mit den Sozialverwaltungen: „Es ist wichtig, von Anfang an zusammenzuarbeiten. Viel besser als Gerichtsverfahren sind doch pragmatische Verabredungen, von denen alle Seiten profitieren.“ Meistens kämen aus Gerichtsverfahren Lösungen heraus, die zu noch mehr Bürokratie führten. Henning Scherf: „Wir sollten eine Kultur entfalten, die bürokratische Aufwände abbaut und Anforderungen handhabbar macht. Dann werden noch mehr gemeinschaftliche Wohnprojekte zu einem Segen für Stadt und Nachbarschaft.“