Der Fachverband für ambulant
begleitete Wohngemeinschaften
21. November | Aktuelles, News, Presse

Einladung zum Spezialseminar zur WTG-Novelle 2023: Hintergründe, Relevanz, rechtliche Konsequenzen

 

WAS: Spezialseminar zur WTG – Novelle 2023 – Hintergründe, Relevanz, rechtliche Konsequenzen
WANN: Donnerstag, 01.12.2022, 09:30 – 13:00 Uhr
WO: WIG-Geschäftsstelle, Pastoratstr. 1 in 45879 Gelsenkirchen
Referent: Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, Düren

Thematische Einordnung

Nach 7 Jahren Erfolgsgeschichte seit der letzten grundsätzlichen Neufassung im Jahr 2014 erfährt das nordrhein – westfälische Wohn- und Teilhabegesetz zum 01.01.2023 eine wesentliche Novellierung. Sie umfasst thematisch 3 Komplexe: Erstens werden die Wohn- und Versorgungsangebote der Eingliederungshilfe mit detaillierten Regelungen dem WTG unterstellt. Zweitens reagiert der Gesetzgeber mit dezidierten Regelungen auf die Brisanz des Themenkreises „Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM)“. Drittens wird der Gewaltschutz grundsätzlich geregelt. Wenngleich insbesondere die Themen FEM und Gewaltschutz in den Grundsätzen keine materielle Neuregelung erfahren – die Novellierung folgt der geltenden Rechtsprechung und den ansonsten bereits geltenden Vorgaben – so umfasst die Neuregelung doch insbesondere Vorgaben, die die Anbieter von dem WTG unterstellten Leistungsangeboten neuerdings zu befolgen haben. Dies gilt auch für die ambulanten Dienste, die anbieterverantwortete Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen begleiten. Sie treffen Vorgaben und Verpflichtungen, die vielen Leistungsanbietern fremd sein werden, wenngleich sie im Grundsatz nicht neu sind.

In Bezug auf den ersten Komplex wird in § 2 WTG ein neuer Absatz eingefügt:

„(1a) Das Gesetz gilt auch für Angebote zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können.“ Damit werden Angebote in anerkannten Werkstätten vom WTG explizit erfasst und das Angebot von Betreuungsleistungen oder Teilhabe an Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen adressiert, was auch Menschen mit Behinderungen mit sehr hohen oder sehr besonderen Unterstützungsbedarfen einschließt.

Sodann wird der Komplex Gewaltschutz und FEM in § 8 bis 8 b WTG nunmehr auch ordnungsrechtlich geregelt.

Der bisherige § 8 wird durch die §§ 8 bis 8b ersetzt, die Gewaltprävention, freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen regeln.

Obersatz zum Gewaltschutz ist, dass die Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbieter geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nutzerinnen und Nutzer vor jeder Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte zu treffen haben. Dazu haben sie Konzepte zur Gewaltprävention in Textform zu entwickeln, die Inhalte und deren praktische Umsetzung den Beschäftigten regelmäßig zu vermitteln und dies zu dokumentieren. Diese Dokumentationen sind bei Überprüfungen vorzulegen. Das ist nicht neu, aber nun explizit genau geregelt

Was FEM anbelangt, so haben Einrichtungen, die freiheitsentziehende Unterbringungen oder freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen durchgeführt haben, müssen zusätzlich ein Konzept zur Vermeidung von solchen Maßnahmen vorlegen. Darin ist auch die Trennung zwischen Einleitung, Durchführung und Überwachung der Maßnahmen zu regeln sowie eine verantwortliche Person für die Anordnung und Überwachung der Durchführung der Maßnahme zu benennen. Die Beschäftigten sind mit Alternativen zu diesen Maßnahmen vertraut zu machen und regelmäßig zu schulen.

In § 8a wird angeordnet, dass Freiheitsentziehende Unterbringungen sowie freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden sind. Werden sie im Einzelfall erforderlich, sind sie unter Berücksichtigung des besonderen Schutzbedürfnisses der Nutzerinnen und Nutzer auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken und nur zulässig nach vorheriger Genehmigung des Betreuungsgerichts, aufgrund rechtswirksamer Einwilligung der Nutzerin oder des Nutzers, bei einwilligungsunfähigen Nutzerinnen oder Nutzern mit Einwilligung der rechtlichen Betreuerin oder des rechtlichen Betreuers oder der oder des Bevollmächtigten oder wenn bei einem Aufschub Gefahr in Verzug ist.

In den Fällen der Nummern 3 und 4 ist die gerichtliche Genehmigung unverzüglich nachzuholen.

Es werden sodann Zulässigkeitsvoraussetzungen geregelt

und angeordnet, dass die Maßnahme sofort zu beenden ist, wenn ihre Voraussetzungen entfallen. Fixierungen werden besonders geregelt und vor allem Dokumentationspflichten statuiert. Nach FEM – Maßnahmen 1 ist der Nutzerin oder dem Nutzer unverzüglich ein geeignetes Angebot zur Nachbesprechung zu machen. Dabei sind die Gründe für die Maßnahme zu erläutern, die Wahrnehmungen der Nutzerin oder des Nutzers zu erfragen und Alternativen zu besprechen. Zudem wird ein Ombudsperson eingeführt, dem einmal jährlich eine Aufstellung über Art, Anzahl und Dauer der Maßnahmen vorzulegen ist.

In § 8 b WTG wird detailliert geregelt, wann Einwilligungen der Nutzerinnen und Nutzer, Betreuerinnen und Betreuer wirksam sind.

Bedeutung für WIG-Mitglieder

Auch wenn materiell mit diesen Neuregelungen nur geltendes Recht nachvollzogen wird, gewinnen diese Themen neue ordnungsrechtliche Relevanz und besonderes Gewicht.

Die Umsetzung in der Praxis wird im ersten Halbjahr 2023 auf der Agenda sowohl des MAGS wie der WTG – Behörden und vor allem der Leistungsanbieter stehen. Sie wird in Form von landesweiten Veranstaltungen im Hintergrund wissenschaftlich begleitet durch die Universität zu Köln erfolgen.

WIG Wohnen in Gemeinschaft e. V. misst den Themenfeldern FEM und Gewaltschutz in Wohngemeinschaften hohe Bedeutung zu. Auch wenn übersichtliche Wohnangebote auf den ersten Blick weniger „anfällig“ erscheinen, so darf die vom Gesetzgeber adressierte Risikolage auch in Wohngemeinschaften nicht ausgeblendet werden.

 

Angebot für WIG-Mitglieder und Nicht-Mitglieder

Daher bietet WIG den Mitgliedern ein Spezialseminar hierzu an.

Datum: 01.12.2022, 09.30 – 13.00 Uhr

Ort: WIG – Geschäftsstelle, Pastoratstraße 1 in 45879 Gelsenkirchen

Referent: Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, Düren

Teilnehmerbeitrag:

umsonst für WIG – Mitglieder
100,00 € für Nichtmitglieder (zzgl. MwSt.)

Anmeldungen:

Unter Angabe des Rechnungsempfängers und der Namen und Funktion der Teilnehmer per eMail an info@wig-nrw.de