Der Fachverband für ambulant
begleitete Wohngemeinschaften
12. November | Aktuelles, News, Presse

Erhöhte Infektionsgefahr für die Pflege: Corona-Ansteckung im Dienst als Versicherungsfall an Berufsgenossenschaft melden

WG-Fachverband informiert: COVID-19-Erkrankungen können Voraussetzungen für eine Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall erfüllen – Gesetzgeber hat Pandemiesituation nicht bedacht

Gelsenkirchen, im November 2020. Für Pflegekräfte in ambulant betreuten Wohngemeinschaften, die sich nachweislich während ihrer Dienstzeiten mit dem Covid-19-Virus infiziert haben, kommen ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit gemäß Unfallversicherungsrecht (SGB VII) in Betracht. Darauf weist der Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft in Gelsenkirchen hin. Die Infektion sollte als Versicherungsfall unverzüglich der zuständigen Berufsgenossenschaft angezeigt werden, um im Falle einer Erkrankung die Ansprüche der Betroffenen wie z.B. Heilbehandlungen, medizinische Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Geldleistungen zu sichern.

 Die Covid-19-Pandemie greift in alle Lebens- und Tätigkeitsbereiche ein. Die Mitarbeitenden in der Pflege sind jedoch hiervon mehr als viele andere Berufsgruppen betroffen. Neben dem Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung stellt sich deshalb mehr und mehr die Frage, wie ihnen auch weitere Ansprüche aus der Sozialversicherung zur Verfügung gestellt werden können. Hierbei rücken zunehmend Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung in den Fokus.

Infektionskrankheiten beruhen auf einer einmaligen Ansteckung. Die einmalige Ansteckung innerhalb einer Arbeitsschicht an einem bestimmten, wenn auch nicht kalendermäßig genau bestimmbaren Tag kann rechtlich die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall erfüllen, sagt der Dortmunder Fachanwalt für Sozialrecht und wig-Justiziar Dieter Otto (Foto: Uwe Jesiorkowski). Könne nachgewiesen werden, dass sich der Arbeitnehmer während der Tätigkeit mit COVID-19 angesteckt hat, dürften die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall vorliegen.

Dieter Otto: „Covid-19-Erkrankungen können zudem die Voraussetzungen einer Berufskrankheit erfüllen, wenn Versicherte durch Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gegenüber der allgemeinen Bevölkerung einer wesentlich höheren Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Dies ist nach derzeitiger Rechtslage bei Tätigkeiten in der Kranken- und Altenpflege, im Labor, oder beim Umgang mit verstorbenen COVID-19-Patienten der Fall.“

Ansprüche werden derzeit fast immer versagt

„Betroffenen werden Ansprüche aus der Unfallversicherung derzeit fast immer versagt mit dem Argument, es liege eine Pandemie vor und damit eine Allgemeingefahr, der jedermann gleichermaßen ausgesetzt sei,“ so Dieter Otto. Dieses Argument lässt der Sozialrechtler nicht gelten. Trotz Allgemeingefahr gebe es Beschäftigte, die in einem höheren Maß einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, weil sie z. B. in ihrer Tätigkeit Sicherheitsabstände nicht einhalten können oder täglich vielen Personen nahe kommen. Das trifft auf die Beschäftigten in der Pflege zu. Der Gesetzgeber habe darüber hinaus eine Pandemiesituation bisher nicht bedacht, so dass es zur Wahrung der Ansprüche dringend geboten sei, bei Nachweis einer Covid19-Infektion diese der zuständigen Berufsgenossenschaft als Versicherungsfall zu melden.

Langzeit- und Dauerschäden nicht absehbar

Zudem ist derzeit nicht absehbar, welche möglichen Langzeit- und Dauerschäden bei den an Covid19 Erkrankten zu erwarten sind. Damit stellt sich die Frage, ob eine solche Erkrankung auch eine Berufskrankheit im Sinne des SGB VII sein kann. Diese setzt Listung in der Anlage zur BKV voraus. In Betracht kommt eine BK 3101, so Dieter Otto. Dies gelte jedoch nur dann, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Ansteckung gegeben ist und der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war.

Gesetzliche Unfallversicherung bietet umfangreichere Leistungen

Die gesetzliche Unfallversicherung bietet für die Versicherten umfangreichere Leistungen als alle anderen Leistungsträger der Sozialversicherung. Obwohl aktuell bei den Berufsgenossenschaften nur eine geringe Bereitschaft zur Leistung bei COVID-19 Erkrankungen besteht, sollte auch hier im Falle einer Infektion, diese unverzüglich bei der BG als Versicherungsfall gemeldet werden, um die notwendigen und von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zu ermöglichen.