Der Fachverband für ambulant
begleitete Wohngemeinschaften
3. Mai | News

Neue Verfügung des MAGS NRW beendet „Wiederaufnahme-Chaos“: Die wichtigsten Unterschiede zur Vorgänger-Verordnung jetzt hier!

Eine Übersicht von
wig-Justiziar Dr. Lutz H. Michel FRICS

Mit der am 04.05.2020 in Kraft tretenden Allgemeinverfügung des MAGS zur „Sicherstellung einer landesweiten Betreuungs- und Untersuchungsstruktur für pflegebedürftige Menschen“, der „CoronaAVPflege“, wird das „Wiederaufnahme-Chaos“ der CoronaAufnahmeVO in strukturierte Bahnen gebracht. Dies ist auch für Begleiter von Wohngemeinschaften von Bedeutung, da – wie die „alte“ Corona AufnahmeVO auch schon – die „sinngemäße“ Geltung für anbieterverantwortete Wohngemeinschaften anordnet.

Die neue Allgemeinverfügung des MAGS finden Sie zum Download (pdf) hier.

Hier die „Bullet – Points“ – auch im Vergleich zur Vorgängerin:

  1. Die CoronaAVPflege gilt primär für EULA’s, „sinngemäß“ für anbieterverantwortete Wohngemeinschaften, ist aber auch für „Häuslichkeiten“ in selbstverantworteten WGen und in betreuten Wohnanlagen hilfreich

Die Allgemeinverfügung (AV) gilt primär für alle vollstationären Pflegeeinrichtungen, die Dauer- und/oder Kurzzeitpflege anbieten. Sie betrifft in „sinngemäßer Anwendung“ auch anbieterverantwortete Wohngemeinschaften. Das Service Wohnen ist – richtigerweise – überhaupt nicht mehr adressiert; es wird jedoch durch die Rückkehrerregelungen in die eigene Häuslichkeit – siehe weiter unten – stärker „gesichert“. Mit den Regelungen zu den anbieterverantworteten Wohngemeinschaften und zum Service Wohnen sind daher auch ambulante Pflegedienste adressiert. Die „selbstverantworteten Wohngemeinschaften“ werden nicht explizit genannt, aber mittelbar sind auch sie angesprochen, da es sich bei ihnen um „eigene Häuslichkeiten“ handelt, weswegen die Regelungen der CoronaAVPflege zumindest, was die dazu ergangenen Regelungen betrifft, als Anhalt für die Beteiligten genommen werden können.

  1. Wiederaufnahmepflicht – aber nur bei nicht vorhandenem Corona – Risiko

Wie in der „alten“ VO auch, gilt für die in der AV genannten vollstationären Pflegeeinrichtungen wie auch übertragbar auf die avWGen eine (Wieder-) Aufnahmepflicht bzgl. „Krankenhaus – Rückkehrern“. WIG hatte bereits in der Arbeitshilfe zur „alten“ CoronaAufnahmeVO klargestellt, dass der die WG begleitende Pflegedienst keine Handhabe hat, den Wiedereinzug von Nutzern zu verhindern, wobei dies an sich auch schon unter Geltung der alten VO nicht sinnvoll gewesen wäre. Die ambulanten Dienste / verantwortlichen Leistungsanbieter werden durch die neue AV dadurch entlastet, dass die Krankenhäuser deutlich stärker in die Pflicht genommen werden. Alle „Rückkehrer“ aus Krankenhäusern, müssen während ihres Krankenhausaufenthaltes nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) getestet werden und zwar 2-mal, wobei das Ergebnis vor der Entlassung vorliegen muss. Ist die Testung negativ, erfolgt eine schriftliche Bestätigung gegenüber der Pflegeeinrichtung. Wird eine Infektion festgestellt, darf keine Entlassung erfolgen; der Patient oder die Patientin bleibt für die weitere Versorgung im Krankenhaus. Das bedeutet, dass – absolut sachgerecht – die Verantwortung beim Krankenhaus liegt und nicht bei der wiederaufnehmenden Einrichtung / Wohngemeinschaft noch beim verantwortlichen Leistungserbringer. Zudem ist es absolut richtig, dass ein infizierter Nutzer / Patient auch dort im Krankenhaus verbleibt, zumal er dort auch medizinisch besser versorgt werden kann.

  1. Ohne negative Testung keine Rückkehr und kein Neueinzug

Diese Testung gilt auch für Rückkehrer in die eigene Häuslichkeit, die dort zuhause von einem ambulanten Pflegedienst versorgt werden. Damit wird den Diensten eine höhere Sicherheit verschafft und das Versorgungssystem stabilisiert. Eine Rückkehr in die Häuslichkeit vor dem Vorliegen des Testergebnisses ist nur in Ausnahmefällen möglich. Dies bedeutet für selbstverantwortete Wohngemeinschaften, dass sich diese – wie auch Betreuungsträger / ambulante Leistungsanbieter im Service Wohnen, unter diesen „Schutzschirm“ stellen sollten und auch stellen können. Eine selbstverantwortete WG ist einer „Häuslichkeit“ gleichzustellen. Die Sicherstellung dieser Verfahrensweise sollte unbedingt durch interne Regelung der Nutzer- / Angehörigenversammlung verbindlich gemacht werden. Mittelbar werden natürlich auch die Mitarbeiter der eingesetzten Dienstleister hierdurch geschützt, was uneingeschränkt positiv zu bewerten ist.

Erfolgt die Neuaufnahme in eine Einrichtung oder avWG aus der Häuslichkeit, hat der Hausarzt zu bestätigen, dass keine Corona-Infektion vorliegt. Auch dies sollte in selbstverantworteten Wohngemeinschaften so gehandhabt werden. Es spricht im Übrigen nichts dagegen, insofern „Beistand“ des Gesundheitsamtes zu erbitten.

  1. Keine „vorbeugenden“ räumlichen Maßnahmen mehr geboten

Die AV regelt sodann auch organisatorische Maßnahmen in vollstationären Pflegeeinrichtungen vor dem Hintergrund erfolgter / befürchteter Infektionen (unabhängig von Krankenhaus – Rückkehr). Diese gelten – wie gesagt – „sinngemäß“ auch für avWGen.

Infizierte Bewohnerinnen und Bewohner und sog. Verdachtsfälle sind getrennt von den übrigen Nutzern der WG unterzubringen.  Entscheidend ist, dass dies in der Regel in den (angestammten) Einzelzimmern erfolgen soll. Dafür hatte WIG bereits in Bezug auf die „alte“ CoronaAufnahmeVO plädiert. Die vielfach gegebene tatsächliche Unmöglichkeit von Schaffung separierter Bereiche – insbesondere binnen kurzer Frist – hat – nach erheblichem „Druck“ aus der Praxis (u.a. auch von WIG) – dazu geführt, dass andere Konzepte, wie z.B. die Schaffung von Quarantäne- und Isolationsbereichen nicht mehr verpflichtend sind. Das betrifft v. a. WG – Häuser / avWGen, in denen es keine Verdachtsfälle gibt. Jedenfalls sind keine gesonderten Quarantänebereiche o. ä. mehr „vorbeugend“ zu schaffen.

Die Anordnung zur Schaffung von 3 Bereichen, die bei WGen überhaupt nicht mehr umsetzbar gewesen wäre – ist damit obsolet. Je nach individueller Situation ist – in Abstimmung mit den Behörden – zu entscheiden, wie verfahren werden soll.

Dies gilt auch, wenn eine Corona-Infektion bei einem Bewohner festgestellt wird. Allerdings empfiehlt das RKI bei mehreren Infizierten die Schaffung eines Isolationsbereiches.

  1. Keine „Corona-Teams“ mehr geboten – im Einzelfall aber u. U. zweckmäßig

Damit geht einher, dass in Abweichung von der „alten“ VO nicht mehr (3) gesonderte Mitarbeiterteams vorzuhalten sind – faktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Jedes Angebot muss zukünftig situationsangemessen – in Abstimmung mit den Behörden – festlegen, wie der Personaleinsatz erfolgen soll. U. U. kann die Bildung eines speziellen Pflegeteams für Verdachts- / Quarantäne – Fälle zweckmäßig sein. Dies ist im Einzelfall zu entscheiden.

In Angeboten mit Verdachts- oder Infektionsfällen sind Testungen der Kontaktpersonen unter Mitarbeitenden und in der Bewohnerschaft durchzuführen, die von den Gesundheitsämtern zu veranlassen sind; wie getestet wird, richtet sich nach den Kapazitäten und erfolgt nach Ermessen der jeweiligen örtlichen Gesundheitsämter. Hier ist dem ambulanten Dienst eine enge Abstimmung – auch mit dem nötigen Nachdruck – nahezulegen.

Die Aufhebung der Isolation nach Infektion erfolgt ausschließlich durch das Gesundheitsamt, wenn seit mindestens 48 Stunden keine COVID-19-Symptome feststellbar sind und durch Testung mit negativem Ergebnis eine Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

  1. Corona-Checks bei jedem Mitarbeiter vor jedem Dienst zwingend

Um das „Hereinschleppen“ von Infektionen zu vermeiden, wird in der AV angeordnet, dass vor jedem Dienstbeginn eine verbindliche Befragung der Mitarbeiter in Bezug auf Symptome und evtl. Kontakte zu infizierten Personen zu erfolgen hat und zu dokumentieren ist. Ist eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist eine Freistellung zu überlegen – eher: vorzunehmen. Sollte diese nicht möglich sein, ist das Gesundheitsamt zu informieren und das weitere Vorgehen mit diesem abzustimmen. Letzteres ist generell zur Enthaftung der Leitungsebenen zu empfehlen. Das Risiko des Einschleppens des Virus ist aktuell, solange noch weitgehende Besuchsverbote – jedenfalls bzgl. avWGen gelten, praktisch fast nur über den Weg über die Mitarbeiter gegeben. Daher ist primär diese Risikoquelle auszutrocknen. Die Befragung ist eins; zu erwägen ist, ob nicht auch noch zusätzlich Temperaturkontrollen durchgeführt werden.

  1. Unabhängig von allem: Im Notfall trifft die Pflicht zur Versorgungssicherstellung die Kreise und kreisfreien Städte

In Notsituationen, wenn die oben skizzierten Maßnahmen aus räumlichen, personellen oder organisatorischen Gründen von Anbietern nicht umsetzbar sind, kann die WTG-Behörde nach Abstimmung mit dem Gesundheitsamt die Pflicht zur (Wieder-) Aufnahme von Bewohnern im Einzelfall aufheben und die Unterbringung von Bewohnern / Nutzern in anderen Pflegeeinrichtungen anordnen. Explizit wird festgelegt, dass die zuständige Gebietskörperschaft (Kreis oder kreisfreie Stadt) diese anderweitige Versorgung sicherzustellen hat. Das entspricht der geltenden Rechtslage zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung im Allgemeinen, die allerdings vielerorts seitens der zuständigen Behörden faktisch negiert worden ist.

  1. Geltung, solange die „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ besteht.

Die CoronaAVPflege gilt, solange die vom Landtag festgestellte „epidemische Lage von landesweiter Tragweite“ besteht. Diese Feststellung ist gegenwärtig lt. Landtagsbeschluss vom 14.04.2020 auf 2 Monate, also bis zum 14.06.2020 befristet, kann aber verlängert werden.

  1. Lessons to be learned

Die CoronaAVPflege beseitigt den durch die „alte“ – allerdings zum 19.04.2020 ausgelaufene, aber nachwievor als Orientierung postulierte – CoronaAufnahmeVO verursachten praxisfernen Aufwand und die für Wohngemeinschaften entstandene Rechtsunsicherheit. Sie gibt nun deutlich klarere Handlungsleitlinien. Zudem wird die zwangsweise, kontraproduktive Reduzierung von vorhandenen, in der generellen Versorgung dringend benötigten Ressourcen beendet. Die neue AV öffnet Entscheidungsräume für die Verantwortlichen – allerding mit der „Kehrseite der Medaille“, nämlich einer entsprechenden – gesteigerten – Verantwortlichkeit für Maßnahmen und / oder deren Unterlassung. Dies bedingt zwingend die sorgsame Abwägung und Dokumentation von Entscheidungen. Im Zweifel ist das zuständige Gesundheitsamt bzw. die zuständige WTG – Behörde zu beteiligen.

  1. Hinweis bei Klärungs- und Informationsbedarfen

WIG hat eine Corona – eMail – Hotline für Fragen eingerichtet. Sie erreichen sie unter corona@wig-nrw.de.