Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Lande tut sich was in Sachen ambulant betreute Wohngemeinschaften: Bei der Jahrestagung des Fachverbands wig Wohnen in Gemeinschaft am 15. und 16. November in Gelsenkirchen wurde die ambulant begleitete Wohngemeinschaft St. Vitus Wohnen im Sonnendorf aus Oelde-Sünninghausen, ein Angebot der gemeinnützigen Seniorenhilfe SMMP im Kreis Warendorf bei Münster, mit dem wig Zukunftspreis 2017 ausgezeichnet. Auf Platz zwei kam „Wohnen in Gemeinschaft für Menschen mit Demenz im Quartier Am Stadtgarten in Neuenrade“, eine Einrichtung der Evangelischen Perthes-Stiftung im Märkischen Kreis. Die Intensivpflege-Wohngemeinschaft „Lebensluft“ aus Unna sicherte sich mit dem Projekt, ihren Mieterinnen und Mietern eine Urlaubsfahrt nach Norderney zu ermöglichen, den dritten Platz.
Der wig Ehrenpreis wurde anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Fachverbandes in diesem Jahr erstmals vergeben. Er ging an Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen), von 2010 bis 2017 NRW-Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Verliehen wird der Ehrenpreis an Menschen, die sich in ihrer Verantwortung und mit ihren Möglichkeiten für das Thema „Wohngemeinschaft“ in besonderer Weise verdient gemacht haben. Gestaltet wurde der wig Zukunftspreis 2017 von der Gelsenkirchener Künstlerin Claudia Lüke. Insgesamt gibt es in NRW mehr als 600 ambulant betreute Wohngemeinschaften, in denen rund 5.000 Frauen und Männer über 70 leben.
Die Haltung des Teams, sich als Gäste in der WG „St. Vitus Wohnen im Sonnendorf“ zu betrachten, war nur ein Baustein von vielen, der die Jury überzeugt hat. Die Mitarbeitenden in der WG werden von einer Philosophie gtragen, die sie mit eigenen Worten so beschreiben. „Ausschlaggebend istt, Menschen überhaupt zu lieben, die Freude und Empathie, mit älteren Menschen gmeeinscam zu arbeiten, und eine gewisse Gelassenheit, egal welches Defizit oder Handicap jemand hat.“ Das Gesamtkonzept des Wohnprojekts verbindet eine gelungene, auf Nachhaltigkeit bedachte Architektur mit einer feinfühligen Ein- und Anbindung an die dörfliche Struktur des Ortes und einem Konzept, das Mieter, Angehörigen und Mitarbeitern ein normales Leben in Gemeinschaft ermöglicht. Die gemeinnützige Seniorenhilfe SMMP arbeitet nicht gewinnorientiert. Die Qualität der Pflege und diee Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen im Vordergrund. Die SMMP betreibt sechs ambulant betreute Seniorenwohngemeinschaften, sieben weitere werden gerade gebaut. Aus den Händen von Laudator und Jury-Mitglied Wichart von Roëll nahmen die strahlenden Preisträgerinnen Annette Longinus-Nordhorn und Regina Wollner-Beermann die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung für ihre Einrichtung entgegen.
Auf Platz zwei in der Kategorie wig Zukunftspreis 2017 kam „Wohnen in Gemeinschaft für Menschen mit Demenz im Quartier Am Stadtgarten in Neuenrade“. Die Wohngemeinschaft bietet besonders hilfs- und schutzbedürftigen älteren Menschen eine passgenaue Wohn- und Betreuungsform, so die wig Jury. Trotz gesundheitlicher Veränderungen und kognitiver Einbußen durch die demenzielle Erkrankungen leben die Menschen hier in einer Gemeinschaft mit familienähnlichen Strukturen. In Kooperation mit der Evangelischen Perthes-Stiftung, einer diakonischen Einrichtung mit 35 verschiedenen Standorten, und der Wohnungsbaugesellschaft Ecoplan in Neuenrade wurde die WG im Erdgeschoss eines denkmalgeschützten Gebäudes realisiert. Dabei überzeugte die Jury die Einbettung der WG in das Quartier, nicht nur über das Café Karl, einen Treffpunkt für Jung und Alt, sondern auch durch die Lage an einer zentral gelegenen Stelle mit guter Infrastruktur inmitten von Neuenrade. Im direkten Umfeld können Bäcker, metzger, Apotheke, Drogeriemarkt, Volksbank und Sparkasse zu Fuß erreicht werden. Ein Lebensmitteldiscounter hat sich an dem Konzept beteiligt, indem er Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer zur Verfügung gestellt hat. Die Evangelische Perthes-Stiftung mit Sitz in Münster ist ein überörtlicher diakonischer Träger mit stationären Einrichtungen und ambulanten Diensten im Bereich des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche von Westfalen. Sie begleitet täglich rund 6.300 Frauen und Männer im Alter, mit Behinderungen, in besonderen sozialen Schwierigkeiten, mit Suchterkrankungen und in der letzten Lebensphase. Vertreterinnen und Vertreter der Perthes-Stiftung und von Ecoplan nahmen aus den Händen von Laudator Roland Weigel den wig Zukunftspreis entgegen.
Intensivpflege-Wohngemeinschaften unterscheiden sich in vielen Punkten von Wohngemeinschaften, deren Mieterinnen und Mieter überwiegend demenziell erkrankt sind. Alle gemeinsam haben sie den Anspruc, das Thema Selbstbestimmung für ihre Wohngemeinschaft bestmöglich umzusetzen. Das gilt auch für die Intensivpflege-Wohngemeinschaft „Lebensluft“ in Unna, drittplatziert beim diesjährigen wig Zukunftspreis 2017. Die Mitarbeitenden formulieren ihre Idee so: „Das selbstbestimmte Leben in der Wohngemeinschaft hat einen sehr hohen Stellenwert. Kurze Maktbesuche oder ein Stündchen zum Shoppen in der Innenstadt waren in den ersten Jahren nach WG-Eröffnung nichts Neues Doch die Bewohner wollten mehr, sie wollten in den Urlaub fahren und das Meer sehen.“ Das Abenteuer Reise gelang, eine Benefizveranstaltungen und phantasievolles Fundraising trugen dazu bei. Eine zweite Fahrt ist in Planung. Der wig Zukunftspreis würdigt die mutige Umsetzung dieser Idee trotz enormer logistischer, technischer und finanzieller Herausforderungen. Die Intensivpflege-Wohngemeinschaft „Lebensluft“ besteht seit 2011 Es handelt sich um eine Lebensgemeinschaft für neun Menschen, diie durch unterschiedliche Erkrankungen in ihrer Atmung beeinträchtigt sind. Einige von ihnen sind mindestens teilweise, manche sogar vollständig auf die Hilfe einer Beatmungsmaschine angewiesen. Begleitet werden sie von dem gleichnamigen Intensivpflegedienst „Lebensluft, 2011 gegründet von der examinierten Krankenschwester Mira Steinhoff-Busch. Aus den Händen der Laudatorin Christel Schneider, zugleich wig Gründungsvorstand, nahm Mira Steinhoff-Busch mit Teammitgliedern und einer Mieterin den wig Zukunftspreis 2017 in Gelsenkirchen entgegen.