Hannover/Gelsenkirchen, im Februar 2021. Die Diskussion über Covid-19-Schutzimpfungen kreist überwiegend um Impfungen in Heimen: Hier hat die Politik die am meisten schützenswerte Gruppe älterer Menschen ausgemacht und hier kommen mobile Impfteams zum Einsatz. Stille herrschte dagegen in Bezug auf die rund 3.800 ambulanten Wohngemeinschaften und ihre rund 33.000 Nutzerinnen und Nutzer. Die Redaktion Häusliche Pflege, fachlich unterstützt von wig Wohnen in Gemeinschaft, dem Fachverband für Wohngemeinschaften in Deutschland, ist der Impflage in Wohngemeinschaften mit einer Online-Umfrage auf den Grund gegangen.
Kernerkenntnis: Über 80 Prozent der Pflegedienste antworten auf die Frage, ob Bund und Länder genug für Impfungen in Wohngemeinschaften tun, mit „Nein“ – Beleg dafür, dass der Ernst der Lage bei den zuständigen Entscheidern nach wie vor nicht erkannt zu sein scheint.
80 Prozent aller Antworten messen dem Problem der Impfungen in Wohngemeinschaften eine sehr hohe und hohe Bedeutung zu. In krassem Gegensatz dazu steht, dass bis dato in nur jeder dritten WG aufsuchende Impfungen stattfanden. In allen anderen Wohngemeinschaften gab es noch keine Impfungen, obwohl die begleitenden Pflegedienste erhebliche Aktivitäten entfaltet haben: Drei von vier Pflegediensten sind von sich aus tätig geworden, um Impfungen zu bewirken. Jede zweite Impfanfrage wurde abgelehnt, alle anderen bekamen vom Gesundheitsamt nicht einmal eine Antwort.
Über 90 Prozent demenziell erkrankt
Besonders erschreckend sind diese Ergebnisse, wenn man einbezieht, was die Verweigerung aufsuchender Impfungen für Wohngemeinschaften heißt: Die Nutzerinnen und Nutzer müssen für Impfungen die lokalen Impfzentren aufsuchen. Was dies bedeutet, umschreibt Claudius Hasenau, der Vorsitzende von wig, so: „Die Nutzerinnen und Nutzer in den Wohngemeinschaften weisen zu über 90 Prozent demenzielle Veränderungen auf. Sie können nicht mit neuen Umgebungen, nicht mit fremden Menschen umgehen. In Stadt- oder Messehallen gebracht zu werden, flößt ihnen Angst ein. Demenzschübe mit katastrophalen Auswirkungen sind vorprogrammiert.“
Was noch dazu kommt: Die Impfung in Impfzentren scheitert an den Ressourcen. 80 Prozent der Pflegedienste, die an der Umfrage teilgenommen haben, geben an, keine Möglichkeit zu haben, die von ihnen betreuten WG-Bewohner in die Impfzentren zu begleiten, da die Angehörigen in drei von vier Fällen dazu nicht in der Lage sind. Für Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, der viele Pflegedienste in ihrem Kampf um Impfungen in den Wohngemeinschaften unterstützt, ist dies absolut nachvollziehbar: „Kein Dienst weiß, was ihn erwartet, weder im Ablauf der Impfungen, noch in Bezug auf Reaktionen der zu Impfenden. Ich kann nur jedem Dienst davon abraten, sehenden Auges das Risiko einzugehen, sich auf einmal in einer nicht abschätzbaren ,Havarielage‘ wiederzufinden!“ Der wig-Justiziar kommt zu dem Schluss: „Wohngemeinschaften müssen in Bezug auf die Impfstrategie umgehend vollstationären Einrichtungen gleichgestellt werden.“
Über Vincentz Network
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