Der Fachverband für ambulant
begleitete Wohngemeinschaften
26. Januar | Aktuelles, News

Wig-Vorstand Hasenau im Interview: Das Nein zur aufsuchenden Impfung gefährdet Leben Demenzkranker in WG‘en

Drei Fragen zum NRW-Impfchaos an Claudius Hasenau, Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes wig Wohnen in Gemeinschaft, Gelsenkirchen

  • Das NRW-Gesundheitsministerium hat mitgeteilt, dass Mieterinnen und Mieter von Demenz-Wohngemeinschaften ab sofort einen Termin im Impfzentrum vereinbaren müssen, um dort gegen Corona geimpft zu werden. Eine aufsuchende Impfung – wie in Alten- und Pflegeheimen – findet nicht mehr statt. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung?

Claudius Hasenau: Diese Entscheidung ist völlig unverständlich, denn sie gefährdet das Leben von pflegebedürftigen Hochrisikopatienten und überfordert die Impfzentren. Wir sehen darin außerdem einen klaren Verstoß gegen die Corona-Impfverordnung des Bundes, wonach ambulant begleitete Wohngemeinschaften bei der Impfdringlichkeit mit Alten- und Pflegeheimen gleichgestellt sind. Das werden wir als WG-Fachverband nicht hinnehmen.

  • Gerade Menschen mit Demenz benötigen eine besondere Begleitung und Betreuung. Sehen Sie diese in den Impfzentren gewährleistet?

CH: Die lokalen Impfzentren sind auf den Umgang mit Demenzkranken nicht vorbereitet. Jeder Ortswechsel und jede Veränderung der Alltagsroutine führt bei ihnen zu großer Unruhe und Unsicherheit. Die Impfzentren werden – wenn erst einmal genügend Impfstoff verfügbar ist – ohnehin vollkommen überlastet sein. Die Impfung von Demenzkranken wird zu einer weiteren Überlastung führen.

  • Mieterinnen und Mieter in ambulant betreuten Wohngemeinschaften sind in den meisten Fällen Hochrisikopersonen, die in den vergangenen Wochen und Monaten intensiv gegen eine Ansteckung mit dem Corona-Virus geschützt wurden. Was bedeutet es, wenn sie nun Impfzentren aufsuchen müssen?

CH: Zunächst einmal bedeutet die Vereinbarung und Wahrnehmung von externen Impfterminen durch diesen zumeist in der Mobilität stark eingeschränkten Personenkreis eine enorme logistische Herausforderung. Viel schlimmer aber ist, dass das Land die Mieterinnen und Mieter völlig unnötig einem zusätzlichen, lebensgefährlichen Infektionsrisiko aussetzt. Weiß der Minister nicht, welche Personengruppen in Wohngemeinschaften leben? Oder sind ihm diese Menschen gleichgültig?

  • Wie sieht nach Ihrer Erfahrung die richtige Impfstrategie für Demenz-Wohngemeinschaften aus?

CH: Wir halten die aufsuchende Impfung durch ein mobiles Impfteam unter der Leitung der betreuenden Hausärzte zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den vertrauten Räumen der Wohngemeinschaft für die beste Lösung. Diese Einschätzung beruht auf Erfahrung. Wie reibungslos aufsuchende Corona-Impfungen ablaufen können, haben wir in 15 unserer 18 ambulant betreuten Wohngemeinschaften in Gelsenkirchen erleben dürfen. Dort wurden jeweils innerhalb weniger Stunden insgesamt 113 Mieterinnen und Mieter sowie 160 Pflege- und Betreuungskräfte von einem hausärztlichen Team geimpft – ohne einen einzigen Zwischenfall und mit einer dokumentierten Impfbereitschaft von rund 90 Prozent bei den Pflegebedürftigen und den Mitarbeitenden. Für unsere drei Demenz-Wohngemeinschaften in Meinerzhagen wurde uns die aufsuchende Impfung durch das Kreisgesundheitsamt verweigert.

  • Wie wird der Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft auf die ministerielle Entscheidung reagieren?

CH: Die Verweigerungshaltung des NRW-Gesundheitsministeriums werden wir nicht hinnehmen. Aktuell bereiten wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedern vor, in welchen Städten und Kreisen den WG’en die aufsuchende Impfung verwehrt wurde oder wird. Gleichzeitig prüfen wir unsere rechtlichen Optionen und suchen das persönliche Gespräch mit Herrn Laumann.