Fachverband wig warnt im Rahmen der Verbändeanhörung vor angedachter „Uniformierungspflicht“ und Meldepflicht freier Plätze als Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes.
Als maßgeblicher Bundesverband im Bereich von Wohngemeinschaften wurde wig in die Verbändeanhörung im Rahmen des Entwurfs einer Vorordnung zur Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes einbezogen. Als wig-Vorsitzender warnt Claudius Hasenau hier insbesondere vor den Konsequenzen der angedachten „Uniformierungspflicht“ sowie der Meldepflicht freier Plätze.
„Uniformierungspflicht“
Die geplante Regelung des § 3 a WTG DVO („Arbeitskleidung“) bedeutet letztlich die Einführung einer „Uniformierungspflicht“. Diese betrifft Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen, die in ihnen tätigen Betreuungs- und Pflegedienstleister, Hauswirtschaftsdienstleister aber auch Anbieter von Service Wohnen — und zwar alle deren Mitarbeiter*innen ungeachtet, wo diese eingesetzt werden. Die Neuregelung schießt damit weit über’s Ziel hinaus:
Die vorgeschlagenen Änderungen sind darüber hinaus für die betroffene Gruppe der Leistungserbringer*innen mit erheblichen Kosten verbunden. Betrachtet man allein die Betreuungs- und Pflegedienstleister, so ergibt sich folgendes Szenario:
Zur Finanzierung dieser Mehrkosten schweigt sich der Verordnungsentwurf aus. Während die Gruppe der Leistungserbringer*innen und letztlich die Nutzer*innen dieser potentiell vor einer enormen Erhöhung der Kosten stehen, könnte man auf den Gedanken kommen, dass das Vorhaben eine verkappte Wirtschaftsförderungsmaßnahme zugunsten der Textilindustrie, der Wäscherei- und Reinigungsbranche sowie Mietkleidungsanbieter ist.
Meldepflicht bzgl. freier Plätze
Vor dem Hintergrund der wissenschaftlich diagnostizierten Angebotslücke erscheint zudem die in dem neuen § 33 Abs. 5 WTG DVO vorgesehene Meldepflicht abwegig. Nur eine verschwindend kleine Anzahl von Wohngemeinschaften haben freie Plätze. In dieser Situation eine Anzeigepflicht einführen zu wollen, ist abstrus. Im Übrigen stellt sich die Frage nach dem Nutzen der Anzeigepflicht. Denn hier sind keinerlei Erkenntnisse bekannt: bevor neue Meldepflichten eingeführt werden, sollte die Wirksamkeit von bestehenden Meldepflichten evaluiert und kommuniziert sein.
Die Änderung verursacht bei einem Leistungsanbieter einer Wohngemeinschaft, sei es der Betreuungsdienstleister oder ein Vermieter, einen täglichen Aufwand von mind. rund 5 Minuten, sprich 30 Stunden pro Jahr. Diese bedeutend zwar „nur“ einen Kostenaufwand von rund 600 € pro Jahr je Wohngemeinschaft, letztlich werden hierdurch jedoch bei den Betreuungs- und Pflegedienstleistern Betreuungszeiten reduziert — und das alles vor dem Hintergrund immer knapper werdenden Personals.
Unser Appell
Bei ambulant strukturierten Wohn- und Versorgungsangeboten ist von der Einführung einer „Uniformierungspflicht“ wie von einer Meldepflicht bzgl. freier Plätze unbedingt abzusehen.
Die daraus entstehenden Mehrkosten sind aus den gängigen, schon nicht kostendeckenden Betreuungspauschalen zwischen 1.500 € und 1.900 € nicht zu finanzieren. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass wir immer häufiger und landesweit beobachten müssen, dass Kostenträger auf Seiten der örtlichen Träger der Sozialhilfe nicht bereit sind, die Kosten angemessener sozialer Betreuung zu akzeptieren. Sozialhilfe nach Kassenlage und Übernahme von Betreuungskosten nur im Ausnahmefall sind die von einer Vielzahl von Sozialhilfeträgern verfolgten Prinzipien. Leistungsanbieter*innen finden sich immer häufiger in der Schere von Kostensenkung und zunehmenden Anforderungen wieder. Was die WTG -Behörde verlangt, wird vom Sozialhilfeträger im Nachbarzimmer ignoriert.
Mit dem Hinweis auf diese untragbare Situation haben wir vor dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW diese Schere betont und dringend angeraten, von weiteren Kostenbelastungen für die sowieso schon gravierend unterfinanzierten Angebote abzusehen. Es geht nicht an, dass dieselben kommunalen Körperschaften als Organ der Landesverwaltung bei den Leistungsanbieter*innen höhere Anforderungen durchzusetzen haben und auch durchsetzen und gleichzeitig als kommunale Kostenträger sich verweigern, dadurch entstehenden Aufwand anzuerkennen und zu übernehmen. Insofern ist unser Anliegen das „Downsizing“ von zusätzlichen Anforderungen — auch wie sie in der Änderungsverordnung geplant sind — und zugleich auch das „Upgrading“ der Vergütungen, um die Kosten, die die Durchführung des WTG auch in Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen mit sich bringt, zu neutralisieren.
Denn: Qualität gibt es nicht zum „Nulltarif“!