WAS: | Spezialseminar zur WTG – Novelle 2023 – Hintergründe, Relevanz, rechtliche Konsequenzen |
WANN: | Donnerstag, 01.12.2022, 09:30 – 13:00 Uhr |
WO: | WIG-Geschäftsstelle, Pastoratstr. 1 in 45879 Gelsenkirchen |
Referent: | Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, Düren |
Thematische Einordnung
Nach 7 Jahren Erfolgsgeschichte seit der letzten grundsätzlichen Neufassung im Jahr 2014 erfährt das nordrhein – westfälische Wohn- und Teilhabegesetz zum 01.01.2023 eine wesentliche Novellierung. Sie umfasst thematisch 3 Komplexe: Erstens werden die Wohn- und Versorgungsangebote der Eingliederungshilfe mit detaillierten Regelungen dem WTG unterstellt. Zweitens reagiert der Gesetzgeber mit dezidierten Regelungen auf die Brisanz des Themenkreises „Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM)“. Drittens wird der Gewaltschutz grundsätzlich geregelt. Wenngleich insbesondere die Themen FEM und Gewaltschutz in den Grundsätzen keine materielle Neuregelung erfahren – die Novellierung folgt der geltenden Rechtsprechung und den ansonsten bereits geltenden Vorgaben – so umfasst die Neuregelung doch insbesondere Vorgaben, die die Anbieter von dem WTG unterstellten Leistungsangeboten neuerdings zu befolgen haben. Dies gilt auch für die ambulanten Dienste, die anbieterverantwortete Wohngemeinschaften mit Betreuungsleistungen begleiten. Sie treffen Vorgaben und Verpflichtungen, die vielen Leistungsanbietern fremd sein werden, wenngleich sie im Grundsatz nicht neu sind.
In Bezug auf den ersten Komplex wird in § 2 WTG ein neuer Absatz eingefügt:
„(1a) Das Gesetz gilt auch für Angebote zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können.“ Damit werden Angebote in anerkannten Werkstätten vom WTG explizit erfasst und das Angebot von Betreuungsleistungen oder Teilhabe an Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen adressiert, was auch Menschen mit Behinderungen mit sehr hohen oder sehr besonderen Unterstützungsbedarfen einschließt.
Sodann wird der Komplex Gewaltschutz und FEM in § 8 bis 8 b WTG nunmehr auch ordnungsrechtlich geregelt.
Der bisherige § 8 wird durch die §§ 8 bis 8b ersetzt, die Gewaltprävention, freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen regeln.
Obersatz zum Gewaltschutz ist, dass die Leistungsanbieterinnen und Leistungsanbieter geeignete Maßnahmen zum Schutz der Nutzerinnen und Nutzer vor jeder Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte zu treffen haben. Dazu haben sie Konzepte zur Gewaltprävention in Textform zu entwickeln, die Inhalte und deren praktische Umsetzung den Beschäftigten regelmäßig zu vermitteln und dies zu dokumentieren. Diese Dokumentationen sind bei Überprüfungen vorzulegen. Das ist nicht neu, aber nun explizit genau geregelt
Was FEM anbelangt, so haben Einrichtungen, die freiheitsentziehende Unterbringungen oder freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen durchgeführt haben, müssen zusätzlich ein Konzept zur Vermeidung von solchen Maßnahmen vorlegen. Darin ist auch die Trennung zwischen Einleitung, Durchführung und Überwachung der Maßnahmen zu regeln sowie eine verantwortliche Person für die Anordnung und Überwachung der Durchführung der Maßnahme zu benennen. Die Beschäftigten sind mit Alternativen zu diesen Maßnahmen vertraut zu machen und regelmäßig zu schulen.
In § 8a wird angeordnet, dass Freiheitsentziehende Unterbringungen sowie freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden sind. Werden sie im Einzelfall erforderlich, sind sie unter Berücksichtigung des besonderen Schutzbedürfnisses der Nutzerinnen und Nutzer auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken und nur zulässig nach vorheriger Genehmigung des Betreuungsgerichts, aufgrund rechtswirksamer Einwilligung der Nutzerin oder des Nutzers, bei einwilligungsunfähigen Nutzerinnen oder Nutzern mit Einwilligung der rechtlichen Betreuerin oder des rechtlichen Betreuers oder der oder des Bevollmächtigten oder wenn bei einem Aufschub Gefahr in Verzug ist.
In den Fällen der Nummern 3 und 4 ist die gerichtliche Genehmigung unverzüglich nachzuholen.
Es werden sodann Zulässigkeitsvoraussetzungen geregelt
und angeordnet, dass die Maßnahme sofort zu beenden ist, wenn ihre Voraussetzungen entfallen. Fixierungen werden besonders geregelt und vor allem Dokumentationspflichten statuiert. Nach FEM – Maßnahmen 1 ist der Nutzerin oder dem Nutzer unverzüglich ein geeignetes Angebot zur Nachbesprechung zu machen. Dabei sind die Gründe für die Maßnahme zu erläutern, die Wahrnehmungen der Nutzerin oder des Nutzers zu erfragen und Alternativen zu besprechen. Zudem wird ein Ombudsperson eingeführt, dem einmal jährlich eine Aufstellung über Art, Anzahl und Dauer der Maßnahmen vorzulegen ist.
In § 8 b WTG wird detailliert geregelt, wann Einwilligungen der Nutzerinnen und Nutzer, Betreuerinnen und Betreuer wirksam sind.
Bedeutung für WIG-Mitglieder
Auch wenn materiell mit diesen Neuregelungen nur geltendes Recht nachvollzogen wird, gewinnen diese Themen neue ordnungsrechtliche Relevanz und besonderes Gewicht.
Die Umsetzung in der Praxis wird im ersten Halbjahr 2023 auf der Agenda sowohl des MAGS wie der WTG – Behörden und vor allem der Leistungsanbieter stehen. Sie wird in Form von landesweiten Veranstaltungen im Hintergrund wissenschaftlich begleitet durch die Universität zu Köln erfolgen.
WIG Wohnen in Gemeinschaft e. V. misst den Themenfeldern FEM und Gewaltschutz in Wohngemeinschaften hohe Bedeutung zu. Auch wenn übersichtliche Wohnangebote auf den ersten Blick weniger „anfällig“ erscheinen, so darf die vom Gesetzgeber adressierte Risikolage auch in Wohngemeinschaften nicht ausgeblendet werden.
Angebot für WIG-Mitglieder und Nicht-Mitglieder
Daher bietet WIG den Mitgliedern ein Spezialseminar hierzu an.
Datum: 01.12.2022, 09.30 – 13.00 Uhr
Ort: WIG – Geschäftsstelle, Pastoratstraße 1 in 45879 Gelsenkirchen
Referent: Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, Düren
Teilnehmerbeitrag:
umsonst für WIG – Mitglieder
100,00 € für Nichtmitglieder (zzgl. MwSt.)
Anmeldungen:
Unter Angabe des Rechnungsempfängers und der Namen und Funktion der Teilnehmer per eMail an info@wig-nrw.de
Kein Vorsitzender für Verfahrensgestaltung, Schriftsätze bleiben unbearbeitet, Anträge stapeln sich: Fachverband wig unterstützt Detmolder Pflegedienst bei Musterklage gegen das Land – wig-Justiziar: „Anbieter sind auf Schiedssprüche angewiesen sind und werden faktisch finanziell ausgehungert“.
Seit Beginn des Jahres 2022 ist die vom Land NRW aufgrund der Vorgaben des § 80 SGB XII gebildete Schiedsstelle handlungsunfähig. Es gibt keinen Vorsitzenden, dem die Funktion der Verfahrensgestaltung obliegt. Schriftsätze werden nicht bearbeitet, Anträge bleiben liegen. „Den Pflegediensten wird der Rechtsschutz verweigert“, kritisiert der wig-Vorsitzende Claudius Hasenau. „Die Dienste werden durch diesen unhaltbaren Zustand faktisch finanziell ausgehungert.“ Aus diesem Grund hat sich der WG-Fachverband entschlossen, „Die Pflege GmbH“ aus Detmold, einen privaten ambulanten Pflegeanbieter aus dem Lipper Land, bei einer Klage gegen das Land NRW zu unterstützen.
Weder die Landesregierung noch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde oder die Schiedsstelle selbst scheinen gewillt zu sein, der Misere ein Ende zu setzen, hat wig-Justiziar Dr. Lutz H. Michel beobachtet. Dabei habe das Land der Schiedsstelle eine zentrale Aufgabe zugewiesen. Sie soll u.a. über Leistungs-, Qualitäts- und Vergütungsvereinbarungen „richten“, die zwischen Leistungsanbietern und Sozialhilfeträgern abzuschließen sind. Bleibt die Schiedsstelle tatenlos, sind ambulante Leistungserbringer blockiert, kostengerechte Vergütungen zu erstreiten.
Unhaltbarer Zustand muss unverzüglich beendet werden
Felix Buba, Geschäftsführer von „Die Pflege GmbH“, hat sich deshalb entschlossen, mit wig-Schützenhilfe juristisch gegen diese Untätigkeit vorzugehen. Das wig-Mitgliedsunternehmen begleitet mehrere ambulant betreute Wohngemeinschaften, für die es solche Vereinbarungen in Schiedsverfahren anstrebt. Im Namen des Unternehmens klagt wig-Justiziar Dr. Lutz H. Michel als Prozessbevollmächtigter gegen die Landesregierung und ihre Rechtsaufsichtsbehörde sowie die Schiedsstelle selbst, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden.
15.000 Euro pro Monat vorfinanziert
Für den ambulanten Dienst aus dem Lipper Land ist die Situation schon jetzt katastrophal. Und sie wird ab 1. September.2022, wenn die Personalkosten in Folge des Tariftreuegesetzes bei dem Unternehmen um mehr als 30 % ansteigen werden, noch katastrophaler. Felix Buba, der Geschäftsführer des Dienstes: „Ohne eine tragfähige Leistungs- und Qualitätsvereinbarung mit gestehungskostengerechten Vergütungen sind wir spätestens ab September nicht mehr in der Lage, die von unseren Nutzer*innen gewünschten Versorgungssettings aufrechtzuerhalten.“ Durch die seit Jahresbeginn weggefallene Funktionsfähigkeit der Schiedsstelle werde der Pflegedienst als „Bank“ für den zuständigen Sozialhilfeträger missbraucht. Felix Buba: „Wir finanzieren mindestens rd. 15.000 € im Monat für den Sozialhilfeträger vor“.
NRW-Pflegeminister lehnt Hilfe ab
Bereits vor Wochen hatte sich Buba mit dem Problem an NRW – Pflegeminister Karl-Josef Laumann (CDU) gewandt – ohne Erfolg. Das Ministerium sieht sich augenscheinlich nicht in der Lage, die Schiedsstelle wieder „flottzumachen“. Stattdessen verweist das Land den Dienst an seinen Verband, der es richten könne und solle. Buba: „Das ist wirklich zynisch.“
„Rechtsstaatswidrige Duldung“
Schließlich handelt es sich bei der Schiedsstelle um eine Landeseinrichtung. „Was hier stattfindet, ist eine rechtsstaatswidrige Duldung von Rechtsschutzverweigerung zu Lasten eines ambulanten Dienstes, der zwingend auf eine tragfähige Vereinbarung mit seinem Sozialhilfeträger angewiesen ist. Dem muss schleunigst ein Ende gesetzt werden“, fordert deshalb der wig-Vorsitzende Claudius Hasenau.
Einzige Option: eine Klage gegen das Land
Der Prozessbevollmächtigte des klagenden Dienstes, wig-Justiziar Dr. Lutz H. Michel, unterstreicht: „Wenn Behörden nicht in der Lage sind, sich so zu organisieren, dass sie den ihnen zugewiesenen Funktionen nachkommen können, ist die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe die einzige Option. Wir erwarten sehr, dass das kurzfristig hilft!“. Alle Beteiligten hoffen, dass sich das Gericht der Sache sehr schnell annimmt, um einen auch pflegepolitisch unhaltbaren Zustand abzustellen und dessen Folgen zu verhindern, nämlich die Kündigung aller Vereinbarungen mit (potenziellen) Sozialhilfeempfängern. Dafür, dass sie bei dem gegenwärtigen Pflegenotstand in eine häusliche Unterversorgung geschickt werden, hat Claudius Hasenau klare Worte: „Für uns ist dies ein sozial- und pflegepolitischer Offenbarungseid der noch amtierenden NRW Landesregierung und ihres Pflegeministers – fünf Tage vor der Landtagswahl!“.
Fachverband wig warnt vor Preissteigerungen durch Tarifbindung ab 1. September – Gravierende Leistungseinschränkungen befürchtet – Sofortige Entlastung ambulant versorgter Patienten durch Anhebung der Sachleistungspauschalen um mindestens 50 Prozent
Die Einführung der Tarifbindung zum 1. September wird die Personalkosten bei nicht tarifgebundenen Pflegediensten um bis zu 50 Prozent in die Höhe treiben. Die Kostenexplosion betreffe insbesondere die Betreuungs-, Hauswirtschafts- und Pflegekräfte, warnt der WG-Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft in Gelsenkirchen. „Es kann nicht sein, dass 2021 für die stationäre Pflege ein Ausstieg aus der Sozialhilfe gefordert und teilweise umgesetzt wurde, ein Großteil der ambulant versorgten Patient*innen ab 1. September jedoch in die Sozialhilfe gedrängt werden“, kritisiert der wig-Vorsitzende Claudius Hasenau.
Die Veröffentlichung der Referenzvergütungen durch den GKV-Spitzenverband hätten die Befürchtungen von Branchenkennern zu den Auswirkungen der Tarifbindung auf die häusliche Pflege noch übertroffen, so der Verbandsvorsitzende Claudius Hasenau. Das neue Gehaltsgefüge, das eine bessere Bezahlung von Betreuungs- und Pflegekräften festschreiben soll, werde zu gravierenden Leistungseinschränkungen in der ambulanten Versorgung führen und weitere Pflegebedürftige in die Sozialhilfe treiben.
Gesetzgeber hat Auswirkungen verkannt
Berechnungen von wig-Mitgliedsunternehmen stützen Hasenaus Aussage. Je nach Qualifikation werden sich Personalkostensteigerungen in der Bandbreite von 30 % bis fast 50 % widerspiegeln. Dies zeigt: So sehr eine angemessene Bezahlung geboten ist, so sehr hat der Bundesgesetzgeber die Auswirkungen auf die Pflegekunden verkannt: Die Punktwerte der Dienste, die die Preise bedingen, werden um diese Prozentsätze steigen müssen, um die höheren Personalkosten zu refinanzieren. Durchschnittlich 30 % bis 50 % höhere Preise führen bei unveränderten Sachleistungspauschalen zu einer proportionalen Reduzierung der von den Sachleistungspauschalen abgedeckten Leistungen. Konkret: Ab 01.09.2022 werden sich die Leistungen, die von den Pflegekassen bezahlt werden, fast halbieren.
Planmäßige Unterversorgung wird verschärft
Mit den aktuell geltenden Sachleistungspauschalen wird bereits ohne die vorprogrammierten Preiserhöhungen nur etwa die Hälfte der erforderlichen Leistungen abgedeckt, ermittelte der Fachverband wig. Die andere Hälfte wird dabei in der Mehrzahl der Fälle gar nicht erbracht, weil die Kunden bzw. deren Angehörige keine Eigenleistungen erbringen wollen und die Dienste deshalb Kostenvoranschläge erstellen, die passgenau auf die Ausschöpfung der Sachleistungspauschalen zugeschnitten werden. Nicht berücksichtigt wurden bisher zukünftige Kostensteigerungen bei den Sachleistungen nach Einführung des neuen Mindestlohnes spätestens ab 1. Oktober, so der Fachverband. Diese beträfen zum Beispiel Warenzulieferer oder Dienstleistungen wie Raumpflege oder Menü-Services, die zahlreiche Pflegedienste an Drittfirmen ausgegliedert hätten, so Claudius Hasenau.
Scheu vor dem Gang zum Sozialamt
Selbst in den Fällen, in denen Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII beansprucht werden könnte, gilt nichts anderes: Der Gang zum Sozialamt wird von den Angehörigen genauso gescheut wie von vielen Pflegediensten. Die Gründe liegen auf der Hand: Zum einen ziehen sich die Verfahren teilweise über viele Monate hin, zum anderen kürzen die Sozialhilfeträger regelmäßig Bedarfe. „Hilfe zur Pflege wird nach Kassenlage gewährt und nicht nach Pflegebedarf“, sagt der wig-Vorsitzende Claudius Hasenau: „Bereits heute erleben wir eine flächendeckende Leistungsverweigerung durch die Sozialhilfeträger. Dass z. B. inkontinenten Pflegekunden die tägliche Ganzwaschung verweigert wird, ist leider nicht die Ausnahme, sondern die Regel.“
Ambulante Dienste werden in die Qualitätsfalle geschickt
Mit der vorprogrammierten Kostensteigerung ab September wird die gegenwärtige latente Unterversorgung Pflegebedürftiger weiter verschärft. Dies bringt die ambulanten Pflegedienste in eine gravierende Risikolage: Als verlängerter Arm der Pflegekassen sind sie diesen zur qualitativ angemessenen Versorgung verpflichtet, was regelmäßig durch die Medizinischen Dienste überprüft wird. Wenn sich nun die Schere zwischen gebotenen Leistungen und beauftragten Leistungen immer weiter öffnet, nimmt das Risiko von Qualitätsmängeln zu mit der Folge von Beanstandungen dieser Mängel. Claudius Hasenau: „Unsere Dienste haben ihre Leistungen entlang einer qualifizierten Pflegeplanung zu erbringen. Spätestens ab September wird das nicht mehr möglich sein, weil die beauftragten Leistungsumfänge aus den beschriebenen Gründen abnehmen werden!“
Bedarfe detailliert dokumentieren
Wie jedoch können die Pflegeanbieter der Qualitätsfalle entgehen? Der Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, Justiziar des Fachverbandes: „Jedem Dienst ist dringend zu raten, in den Beratungsgesprächen den fachlich erkannten Bedarf detailliert deutlich zu machen. Die Anbieter sollten darauf hinzuweisen, welche pflegerische Versorgung erforderlich ist und die Kostenvoranschläge entsprechend gestalten. Folgen die Interessenten diesen nicht und beauftragen bewusst eine ,Unterversorgung‘, sollte diese Entscheidung und die dafür genannten Gründe dokumentiert werden. Ebenso ist zu dokumentieren, dass Hilfe zur Pflege beantragt werden kann, wenn die Finanzmittel der Pflegekunden oder ihrer Angehörigen die Finanzierung der gebotenen Pflege nicht ermöglichen.“
Wohngemeinschaften: Sofort mit Preisverhandlungen beginnen
Weil die bestehenden Versorgungsverträge im Zuge der Tarifpflicht automatisch beendet werden, sind nach Auffassung von wig – Wohnen in Gemeinschaft sofort nach der Entscheidung, welchem Vergütungssystem sich der Dienst anschließt, auch Vergütungsverhandlungen zu führen. Claudius Hasenau: „Dringendst geboten ist, die Kassen zu Verhandlungen über angepasste Punktwerte aufzufordern.“ Ambulante Dienste, die Wohngemeinschaften begleiten, sehen sich besonders hohem Druck ausgesetzt. Hasenau: „Ab September öffnet sich eine Lücke zwischen den Vergütungen und den in Wohngemeinschaften zu erbringenden Leistungen, die nicht durch Leistungskürzungen abgefangen werden kann. Eine vereinbarte 24-Stunden-Betreuung, die durch Leistungen nach ambulanten Leistungskomplexen refinanziert wird, kann nicht auf 18 Stunden reduziert werden.“ So sieht es auch wig – Justiziar Dr. Lutz H. Michel: „Ohne Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen, die die 24-Stunden- Präsenz transparent regeln und eine bedarfsgerechte Präsenz neben der Erbringung pflegerischer Leistungen sichern, wird es nicht mehr gehen.“ Deshalb empfiehlt der Fachverband Begleitern von Wohngemeinschaften – mit und ohne Vereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern, umgehend das Gespräch mit den Sozialhilfeträgern zu suchen, um ab September nicht in Schieflagen zu geraten.
Erhöhung der Sachleistungspauschalen unumgänglich
Nach Einschätzung von wig – Wohnen in Gemeinschaft ist es dringend geboten, die drohenden katastrophalen Auswirkungen der Vergütungserhöhung ab September durch eine entsprechende Anpassung der Sachleistungspauschalen abzumildern. Claudius Hasenau: „Mit seinem ,Pflegereförmchen 2021‘ hat der Gesetzgeber die Blaupause geliefert: Die darin erfolgte Entlastung der stationär Pflegebedürftigen muss auch auf die ambulante Versorgung übertragen werden! Zur Wahrung des Status quo müssen die Sachleistungspauschalen ab September zwingend um mindestens 50 % angehoben werden! Mit diesen Forderungen wird der Fachverband wig wird mit Nachdruck auf die Politik zugehen!“
WG-Fachverband sieht deutliches Signal für einen Aufbruch der auf stationäre Versorgung reduzierten Angebotsstruktur – Warnung vor Stärkung der Kommunen: „Pflegerelevante Fragen nach Kassenlage entschieden“
Gelsenkirchen, im November 2021. Für ambulante Wohn- und Betreuungsformen im Quartier springt die Koalitionsampel in Zukunft auf Grün. Die zukünftigen Regierungsparteien haben sich darauf verständigt, das Sozialgesetzbuch XI um innovative quartiernahe Wohnformen zu erweitern und gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen eine Förderung zu ermöglichen. wig Wohnen in Gemeinschaft e.V., Fachverband für ambulante Wohnformen, begrüßt diese Entscheidung. „Wir sehen darin ein deutliches Signal, dass die auf stationäre Versorgung reduzierte Angebotsstruktur aufgebrochen wird,“ so der Vorsitzende Claudius Hasenau. Endlich spiegele sich die veränderte Lebenswirklichkeit Pflegebedürftiger auch gesetzlich und politisch wider.
Der Fachverbandsvorsitzende, selbst Geschäftsführer eines Pflege- und Gesundheitsdienstes mit 450 Mitarbeitenden, einer Tagespflege und 18 ambulant betreuten Demenz-Wohngemeinschaften, kann sich noch nicht vorstellen, wie sich der im Koalitionsvertrag formulierte, aber abstrakte Wille zur Förderung innovativer, quartiersnaher Wohnformen in die Wirklichkeit übertragen lässt. Er verweist auf die in der Berliner Erklärung des Fachverbands Anfang Oktober aufgelisteten Stolpersteine bei der Realisierung ambulanter Pflege- und Betreuungsprojekte, die die Bereitschaft der Akteure, diese zu ermöglichen, oft eher verhindern als fördern. Diese Position vertritt auch der wig-Justiziar, Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel: „Alle Akteure benötigen dringend Rechtssicherheit. Der kommunale Flickenteppich speziell im Bereich der Sozialhilfe muss umgehend beseitigt werden“.
Was darf innovatives Pflegewohnen kosten?
An der Tagesordnung seien, so Hasenau, Auseinandersetzungen mit Kostenträgern und Behörden, die sich weigern, die notwendigen Investitionen für diese Sonderbauten oder den Mehraufwand, der mit innovativen Wohnformen einhergehe, anzuerkennen und zu finanzieren. Er erlebe endlose Diskussionen über die Angemessenheit der Mietkosten. Claudius Hasenau: „Wir müssen ständig rechtfertigen, was das Wohnen in innovativen Wohnformen kosten darf – aus der Grundsicherung heraus oder dem Recht der Pflegebedürftigkeit als Hilfe zur Pflege.“ Mittlerweile beschäftigt diese Frage die Landessozialgerichte. „Die aktuelle Rechtsunsicherheit führt zu einem Rückgang der Investitionsbereitschaft in innovative Wohnformen“, so Hasenau.
Kritik an geplanter Stärkung der Kommunen
Kritisch sieht der Fachverband auch die im Koalitionspapier angekündigte Stärkung der Kommunen, die im Rahmen der Versorgungsverträge verbindliche Mitgestaltungsrechte bei der pflegerischen Versorgung vor Ort erhalten sollen. Claudius Hasenau: „Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass Kommunen pflegerelevante Fragestellungen in der Regel nach Kassenlage beantworten. Das hat zur Folge, dass innovative Wohnformen trotz steigender Nachfrage und großer Akzeptanz bei den Pflegebedürftigen, Angehörigen und in der Pflege Tätigen nicht realisiert werden können.“
Hohe Erwartungen
Insgesamt verbinden sich mit dem Koalitionspapier hohe Erwartungen, zum Beispiel die Chance, dass durch die angekündigte Veränderung im SGB XI ambulant betreute Wohnformen in Zukunft mehr und mehr zur Regelversorgung werden. Claudius. Hasenau: „Angehörige und Nutzer*innen erwarten, dass das Spießrutenlaufen auf dem Weg angemessener menschenzentrierter Pflege und Betreuung in Wohngemeinschaften endlich aufhört. Die neue Regierung wird sich daran messen lassen müssen, ob die Stärkung der ortsnahen ambulanten Versorgung das Papier wirklich wert ist, auf dem es steht!“ wig als der Fachverband für Wohngemeinschaften in Deutschland werde daher kurzfristig das Gespräch mit der / dem neuen Pflegeminister / in suchen, um die Position der WG-Akteure in die anstehende Gesetzgebung einzubringen.
Nach zweijähriger Corona-Pause fand die Bundeskonferenz „Wohnen in Gemeinschaft“ in Berlin wieder als Präsenzveranstaltung statt. Bereits Wochen vor dem Termin war sie ausgebucht. Ein Grund dafür war der interessante Referent*innen- und Themenmix, den der wig-Kooperationspartner „Häusliche Pflege“ als Veranstalter gemeinsam mit dem wig-Vorstand zusammenführen konnte.
Mit Spannung erwartet wurde die „Berliner Erklärung“ zu ambulant betreuten Wohngemeinschaften, die der Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft im Vorfeld des Kongresses erarbeitet hatte. Die darin vom wig-Vorsitzenden Claudius Hasenau und wig-Justiziar Dr. Lutz H. Michel entwickelten Forderungen stießen bei den Teilnehmenden, aber auch bei den Berufsverbänden und Kostenträgern auf reges Interesse.
Berliner Erklärung (pdf) im Wortlaut
„Vollstationäre Einrichtungen für Menschen mit Unterstützungsbedarf sind als priorisiertes Versorgungsangebot nicht mehr zeitgemäß. Diese Menschen dürfen nicht länger vorrangig in eine anstaltsmäßige Versorgung übergeleitet werden“, zitierte Claudius Hasenau aus der Berliner Erklärung. Dieses Positionspapier des Verbands wig – Wohnen in Gemeinschaft wurde erstmalig wurden von dessem Gründungsvorstand und ersten Vorsitzenden auf der Tagung präsentiert.
Beispielsweise dürfte auch der Anspruch auf Leistungen nach dem Tode des Berechtigten nicht auf stationäre Einrichtungen begrenzt werden. „Der Anspruch muss auch für ambulante Leistungsgeber und somit auch auf ambulant betreute Wohngemeinschaften (vgl. § 19 Abs. 6 SGB XII) Gültigkeit haben“, so Hasenau. Auch dürften die Anforderungen an WG-Häuser „nicht länger Einzelangelegenheiten einzelner Sachbearbeiter mit individuellen Vorstellungen“ sein.
Die Pflegereform 2021 stärke zudem die vollstationäre Langzeitpflege durch die Entlastung der Bewohner*innen. Nutzer*innen von Wohngemeinschaften hätten nach wie vor alle Kosten zu tragen. „Sie erhalten keinerlei staatliche Hilfe, obwohl die Kostensteigerungen hier gleichfalls immens sind. Hier ist eine Gleichbehandlung herzustellen“, so Hasenau. „Wir fordern von der Bundes- und der Landespolitik eine Beteiligung an dem Prozess der Pflegereform.“
WG-Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft begrüßt Konkretisierung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums zum Gewaltschutz und zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen – Personeller Zusatzaufwand muss angemessen vergütet werden
Gelsenkirchen, im August 2020. Die anstehende Novellierung des Wohn-Teilhabe-Gesetzes in NRW (WTG NRW) wird dazu beitragen, Nutzerinnen und Nutzer von ambulanten Wohnformen in Zukunft besser vor Gewalt und freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) zu schützen. Wig Wohnen in Gemeinschaft, der Fachverband für ambulante Wohnformen, begrüßt die in der Überarbeitung enthaltenen Regelungen zur Stärkung des Gewaltschutzes und zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen. „Die Novelle gibt beiden Themen mehr Gewicht und setzt die längst überfällige Konkretisierung des ordnungsrechtlichen Instrumentariums zum Schutz der Mieterinnen und Mieter um“, so der wig-Vorsitzende Claudius Hasenau.
Auch wenn in den kleinteiligen Wohngemeinschaften mit in der Regel zwischen acht und zwölf Nutzer*innen die soziale Kontrolle durch Angehörige oder gesetzliche Vertretungspersonen viel größer ist als in vollstationären Pflegeeinrichtungen, so kann nach Auffassung des Fachverbandes beiden Themen gar nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden. Claudius Hasenau: „Das oberste Qualitätsziel in Wohngemeinschaften ist die Schaffung eines personenzentrierten, gewaltfreien Betreuungssettings, in dem entspannte Geborgenheit durch Interaktion mit den Nutzer*innen geschaffen wird. Gewalt und Zwang, Pressionen, sexuelle Übergriffe, das Wegsperren von Menschen und unkritische Gaben von Psychopharmaka haben nicht nur in Wohngemeinschaften, sondern generell in Betreuungseinrichtungen keinen Platz!“.
Einheitliche Verwaltungspraxis für hochsensibles Rechtsgebiet sicherstellen
In diesem Zusammenhang verurteilt der Fachverband die Ablehnung des Gesetzentwurfs durch von vollstationären Anbietern gesteuerte Anbieterverbände. Hasenau verweist in diesem Zusammenhang auf die Ergebnisse der WTG-Evaluierung durch Professor Dr. Thomas Klie, die explizit hinweist, dass die Bereiche Gewalt in der Pflege und FEM gesetzlich geschärft werden müssen. Gleichzeitig sieht der WG-Fachverband weiteren Optimierungsbedarf: Zum einen dürfe das WTG nicht mit Detailregelungen überfrachtet werden, zum anderen müsse eine einheitliche Verwaltungspraxis in diesem hochsensiblen Gebiet sichergestellt werden. WIG-Verbandsanwalt Dr. Lutz H. Michel: „Es muss gewährleistet sein, dass nicht mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Es muss ausgeschlossen sein, dass jede WTG-Behörde ihre individuellen Vorstellungen über Inhalte und Qualität der gesetzlich vorgesehenen Gewaltschutz- und FEM-Konzepte entwickelt und im Verwaltungshandeln auslebt.“ Der Verbandsjurist plädiert dafür, Vorgaben, die das WTG machen will, in einem partizipativen Prozess aller Akteure im Detail angebotsspezifisch zu erarbeiten und dann qualitätssichernd begleitet umzusetzen: „Die Auslegung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe in den geplanten Regelungen muss konsensual kanalisiert und damit für die Anbieter verlässlich gemacht werden.“
WG’en als „Leuchttürme für qualitätsvolle Betreuung und Pflege“
Mit Blick auf den „Pflegereport 2021“, weist Claudius Hasenau auf den hohen Qualitätsstandard in Wohngemeinschaften hin: „Wohngemeinschaften haben sich als Leuchttürme für qualitätsvolle menschenzentrierte Betreuung und Pflege etabliert. Strengere Regelungen bereiten uns in diesem Zusammenhang kein Kopfzerbrechen. Was uns Sorgen macht, sind stagnierende Vergütungen, die faktisch zu Leistungskürzungen führen. Es muss endlich sichergestellt sein, dass der durch die geplante Gesetzgebung auch für Wohngemeinschaften entstehende Mehraufwand sich in den Vergütungen abbildet.“
Kassen und Sozialhilfeträger müssen höhere Kosten akzeptieren
In einer Mitgliederumfrage hat der Fachverband ermittelt, dass durch die sich ändernden gesetzlichen Vorgaben zum Beispiel in einer „typischen Zwölfer-WG“ ein zusätzlicher Personalbedarf von rd. 0,3 VZÄ entsprechend jährlich rund 16.000 €- 19.000 € entstehen wird. Claudius Hasenau: „Dieser personelle Zusatzbedarf muss von den Diensten gestemmt werden. In Folge sind dann auch die Kosten von den Kostenträgern zu akzeptieren: Mehr Gewaltschutz und mehr Betreuung zwecks Vermeidung von FEM gibt es nicht zum Nulltarif!“. Der Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft fordert die Landesregierung in NRW deshalb dringend auf, als Rechtsaufsicht auf Kassen und Sozialhilfeträger einzuwirken, endlich leistungsgerechte Vergütungen mit den Anbietern zu verhandeln. Claudius Hasenau: „Die Schere zwischen höheren Anforderungen und seit Jahren faktisch stagnierenden Vergütungen öffnet sich immer weiter. Sie muss endlich geschlossen werden!“
Ambulante Wohnformen zwischen Krisenresilienz und Zusammenbruch: Am Dienstag, 5. Oktober 2021, findet in Berlin die 2. Bundeskonferenz „Wohnen in Gemeinschaft“ statt. Veranstalter ist die Zeitschrift „Häusliche Pflege“ des Vincentz-Verlages in Zusammenarbeit mit dem Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft. Mit dem Thema trafen die Organisatoren den Nagel auf den Kopf: Seit Anfang September ist die Veranstaltung ausgebucht!!!
Die Bundeskonferenz Wohnen in Gemeinschaft 2021 ist eine ganz besondere: Zum einen fängt sie zwei Jahre vitale Entwicklungen im Bereich ambulant betreuter Wohngemeinschaften ein. Zum anderen sind die Themen, die sich aktuell stellen, „Schicksalsthemen“. Die Pandemie hat einerseits gezeigt, dass kleinteilige gemeinschaftliche Wohnformen „krisenresilienter“ sind als vollstationäre Angebote, sie hat aber andererseits auch viele Begleiter von Wohngemeinschaften an die Grenzen ihre Leistungsfähigkeit gebracht.
Die Schere zwischen zunehmenden (ordnungs-)rechtlichen Anforderungen und sich verschlechternder leistungsrechtlicher Refinanzierung öffnet sich weiter – die mit der Pflegereform 2021 initiierte Stärkung vollstationärer Angebote wird in den nächsten Monaten ihre Spuren hinterlassen. Die von Bundesgesundheitsminister Spahn politisch versuchte strukturelle Schwächung polymodularer Angebote ist hoffentlich endgültig ad acta gelegt. Die von den örtlichen Sozialhilfeträgern verfolgte Politik der „Sozialhilfe nach Kassenlage“ stellt Leistungsanbieter vor steigende Herausforderungen.
Hinzu kommt der Streit um die Leistungsqualität ambulanter Wohnformen: Sind ambulante Wohnformen ihr Geld wert? Tragen sie zur Stabilisierung von Quartieren bei? Können sie bürgerschaftliches Engagement mobilisieren? Sind sie geeignet, auch den Angehörigen von Nutzer*innen „Räume zum Mitleben“ zu geben, sie einzubinden und zu aktivieren? Alle diese Aspekte münden in die Frage: Was kann und muss Politik in Zukunft beitragen, um ambulant betreute Wohngemeinschaften zum stabilen Faktor der Regelversorgung werden zu lassen. Der WG-Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft wird dazu eigene „Berliner Thesen“ vorstellen und zur Diskussion stellen.
10.00 Uhr – 10.05 Uhr:
Begrüßung zur Bundeskonferenz
Lukas Sander, Chefredakteur Häusliche Pflege, Hannover
10.05 Uhr – 10.45 Uhr
Impulsvortrag – Wohnen in Gemeinschaft
Wo stehen ambulante Wohngemeinschaften? Mit welchen Erwartungen der Akteure haben sie sich auseinanderzusetzen? Was werden sie in Zukunft leisten müssen? Der führende deutsche Pflege- und Sozialforscher Prof. Dr. Thomas Klie wird einen Blick in die Zukunft wagen und den Bundeskongress mit seinen Thesen eröffnen.
Prof. Dr. Habil. Thomas Klie, Evangelische Hochschule Freiburg: Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Gerontologie FIVE e.V. (AGP + zze): Institutsleitung AGP und zze, Freiburg
10.45 Uhr – 11.30 Uhr
Kommunikationstrategien für Wohngemeinschaften
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Kommunikation der Akteure in und um Wohngemeinschaften ist. Adäquate Kommunikation fördert Qualität in der Leistungserbringung und verhindert Konflikte. Der Referent Giovanni Bruno zeigt Strategien und Handwerkszeuge auf, damit Wohngemeinschaften „kommunikativ“ gelingen.
Giovanni Bruno, Digitalisierungsexperte in der Pflege- und Sozialwirtschaft, Geschäftsführer fokus digital GmbH, Berlin
11.30 Uhr – 12.15 Uhr
Update WG-Recht
Das Recht der Wohngemeinschaften bleibt spannend: Ordnungs- wie Leistungsrecht sind in Bewegung, das Verhältnis zwischen Leistungsanbietern, Behörden und Kostenträgern bleibt angespannt, seine „Entspannung“ ist aber ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Deutschlands führender „WG – Rechtler“ Dr. Lutz H. Michel gibt einen praxisorientierten Überblick über die aktuellen Entwicklungen und Trends der Diskussion und wagt einen Blick in die Zukunft, um die Akteure in Wohngemeinschaften auf die nächsten Herausforderungen vorzubereiten.
Dr. Lutz H. Michel FRICS, Rechtsanwalt, Düren
12.15 Uhr – 13.15 Uhr
Mittagspause – Austausch und Networking unter Kolleginnen und Kollegen!
13.15 Uhr – 14.00 Uhr
Wohngemeinschaften – Architektur und Quartiersbezug
Wohngemeinschaften sind keine „Ghettos“: Sie sind ortsnahe integrative Angebote. Wie sie in dem Dreiecksverhältnis „Immobilienunternehmen“ – „Sozialunternehmen“ – „Kommune“ einen Beitrag zur Stärkung von Urbanitäten leisten können, zeigt das Referat von Prof. Dr. Torsten Bölting auf und gibt so Leitlinien für neue Projekte.
Prof. Dr. Torsten Bölting, inwis/EBZ Bochum
14.00 Uhr – 14.45 Uhr
Wirtschaftlichkeit von Wohngemeinschaften
Die stabile Absicherung der Wirtschaftlichkeit ist des „A“ und „O“ erfolgreicher Wohngemeinschaften. Viel zu viele Angebote operieren an der Grenze zur Unwirtschaftlichkeit und gefährden damit ihre Nachhaltigkeit – zum Nachteil der Nutzer*innen. Thomas Müller, auf die Begleitung von Leistungsanbietern von Wohngemeinschaften spezialisierter Wirtschaftsprüfer und Gestaltungsberater zeigt auf, wie Wohngemeinschaften wirtschaftlich gelingen können. Mit einem Gesprächspartner aus der kommunalen Praxis diskutiert er die immer wichtiger werdende Funktion des Sozialhilfeträgers als Refinanzier von Wohngemeinschaften.
Thomas Müller, Steuerberater, ETL admedio Steuerberatung mbH, Essen
14.45 Uhr -15.15 Uhr
Kaffeepause – Networking bei Kaffee und Snacks
15.15 Uhr – 16.00 Uhr
Ambulante Wohnformen zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit
Nur teuer? Zu teuer für den qualitativen Output? Prof. Dr. Heinz Rothgang und Nadine-Michèle Szepan, Leiterin der Abteilung Pflege im AOK-Bundesverband, haben dazu kritisch-konstruktive Statements veröffentlicht: Hohe Qualität zu angemessenen Kosten zu bieten, das ist die Herausforderung, der sich ambulante Wohngemeinschaften stellen müssen. Die Referent*innen stellen ihre provokanten Thesen im Plenum zur Diskussion.
Nadine-Michèle Szepan, Leiterin der Abteilung Pflege im AOK-Bundesverband
16.00 Uhr – 16.45 Uhr
Berliner Thesen: Wohngemeinschaften gelingen lassen – Forderungen an die Politik
„Wohngemeinschaften gelingen lassen“ ist das Ziel der Akteure: Gelingen lassen durch tragfähige Zukunftsperspektiven, durch stabile Rechtsrahmen, durch gute Kommunikation nach innen und außen – kurz durch Qualität. Mit den „Berliner Thesen“, die Claudius Hasenau als der wegweisende Vordenker und Wegbereiter ambulanter Wohngemeinschaften in Deutschland erstmals vorstellen wird, meldet sich WIG Wohnen in Gemeinschaft als Stimme der Wohngemeinschaften in Deutschland auf der Berliner Bühne. Nicht nur eine Steilvorlage für die abschließende Podiumsdiskussion, sondern eine „To Do – Liste“ für die nächsten 4 Jahre Pflegepolitik in der neuen Legislaturperiode.
Claudius Hasenau, 1. Vorsitzender wig – Wohnen in Gemeinschaft e.V., Gelsenkirchen
16.45 Uhr – 17.45 Uhr
Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Pflege und Politik sowie von Kostenträgern zu den Berliner Thesen
• Claudius Hasenau, 1. Vorsitzender wig – Wohnen in Gemeinschaft e.V., Gelsenkirchen
• Nadine-Michèle Szepan, Leiterin der Abteilung Pflege im AOK-Bundesverband
17.45 Uhr
Ende der Bundeskonferenz Wohnen in Gemeinschaft
ab 18.00 Uhr
Networkingabend
Private Anbieter fühlen sich als Tarifgegner an den Pranger gestellt: WG-Fachverband kritisiert „Wahlkampf auf dem Rücken der Pflegekräfte“
Gelsenkirchen, im Mai 2021. Scharfe Kritik äußert der Fachverband wig Wohnen in Gemeinschaft an den Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Danach sollen ambulante Dienste nur noch dann mit der gesetzlichen Pflegekasse Leistungen abrechnen dürfen, wenn sie ihre Mitarbeitenden nach einem geltenden Tarifvertrag entlohnen. „Die Bundesregierung macht mit einem weiteren Adhoc-Gesetz Wahlkampf auf dem Rücken der Pflegekräfte“, sagt der wig-Vorsitzende Claudius Hasenau zum „Tag der Pflege 2021“ am 12. Mai. Erneut würden „mit der Brechstange“ gesetzliche Regelungen durchgedrückt, die sich gut anhören, die aber das seit Jahren bestehende Problem einer leistungsgerechten Entlohnung in der ambulanten Pflege nicht lösen. Hasenau: „Pflegedienste haben kein Problem mit höheren Löhnen für ihre Leistungsträger. Sie haben seit Jahr und Tag Probleme, diese Kosten in den Pflegesatzverhandlungen gegenüber den Kranken- und Pflegekassen sowie den Kreisen und kreisfreien Städten durchzusetzen.“
Der Fachverbandsvorsitzende, selbst Geschäftsführer eines Pflege- und Gesundheitsdienstes mit rund 450 Mitarbeitenden, sieht in der Diskussion insbesondere die privaten Pflegeanbieter an den Pranger gestellt. „Alle seriös arbeitenden Pflegedienste wollen ihre Mitarbeitenden gut bezahlen und auf diese Weise binden“, so der Gelsenkirchener. Dies sei angesichts des herrschenden Pflegenotstands eine Selbstverständlichkeit, denn der Arbeitskräftemarkt sei praktisch leergefegt. Seine Unternehmensgruppe bezahle sämtliche Pflegekräfte nach einem eigenen Haustarif und entwickele ständig neue Anreizsysteme zur Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit, zum Beispiel die Einführung der Zusatzversorgungskasse (Betriebsrente) als zusätzliche Altersversorgung, Zuschüsse zum Besuch eines Fitness-Centers, die Subventionierung von Jobrädern oder Gesundheitsreisen. Trotzdem: „Wir können nicht alle offenen Stellen zeitnah neu besetzen.“
Vorhandene Gesetze endlich anwenden
Das geplante Gesetz fokussiere einseitig auf die Pflicht zur tariflichen Bezahlung, so der wig-Justiziar Dr. Lutz H. Michel. Dabei gehe es doch vielmehr um die Anerkennung einer leistungsgerechten Vergütung der häuslichen Pflege, die die Sozialhilfeträger, Kranken- und Pflegekassen trotz gesetzlicher Vorschriften seit vielen Jahren geradezu sträflich vernachlässigt hätten. Dr. Michel: „In NRW gilt beispielhaft bereits seit 2018 das Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen. Dieses muss von den Kostenträgern endlich auch angewendet werden!“ Das gelte auch für die Sozialhilfeträger in Bezug auf die Anerkennung von Kosten.
Refinanzierung unbürokratisch regeln
Statt auf diese Fragen eine dauerhafte und zukunftsfähige Antwort zu finden, mache die Politik lieber Stimmung mit dem Täterprofil „Böse private Arbeitgeber, die nicht tarifgerecht bezahlen wollen“. Wig-Chef Claudius Hasenau wehrt sich gegen diese Diffamierung: „Wir fordern – falls es tatsächlich zu diesem Schnellschuss kommt – eine für die Kostenträger verpflichtende gesetzliche Regelung zur Refinanzierung der zusätzlichen Gehaltskosten. Die Refinanzierung muss schlank, klar und unbürokratisch geregelt sein, damit Pflegeanbieter nicht erst Fachanwälte und Wirtschaftsgutachter beauftragen müssen, ihre Ansprüche gegenüber Kommunen oder Kassen durchzusetzen.“
Hannover/Gelsenkirchen, im Februar 2021. Die Diskussion über Covid-19-Schutzimpfungen kreist überwiegend um Impfungen in Heimen: Hier hat die Politik die am meisten schützenswerte Gruppe älterer Menschen ausgemacht und hier kommen mobile Impfteams zum Einsatz. Stille herrschte dagegen in Bezug auf die rund 3.800 ambulanten Wohngemeinschaften und ihre rund 33.000 Nutzerinnen und Nutzer. Die Redaktion Häusliche Pflege, fachlich unterstützt von wig Wohnen in Gemeinschaft, dem Fachverband für Wohngemeinschaften in Deutschland, ist der Impflage in Wohngemeinschaften mit einer Online-Umfrage auf den Grund gegangen.
Kernerkenntnis: Über 80 Prozent der Pflegedienste antworten auf die Frage, ob Bund und Länder genug für Impfungen in Wohngemeinschaften tun, mit „Nein“ – Beleg dafür, dass der Ernst der Lage bei den zuständigen Entscheidern nach wie vor nicht erkannt zu sein scheint.
80 Prozent aller Antworten messen dem Problem der Impfungen in Wohngemeinschaften eine sehr hohe und hohe Bedeutung zu. In krassem Gegensatz dazu steht, dass bis dato in nur jeder dritten WG aufsuchende Impfungen stattfanden. In allen anderen Wohngemeinschaften gab es noch keine Impfungen, obwohl die begleitenden Pflegedienste erhebliche Aktivitäten entfaltet haben: Drei von vier Pflegediensten sind von sich aus tätig geworden, um Impfungen zu bewirken. Jede zweite Impfanfrage wurde abgelehnt, alle anderen bekamen vom Gesundheitsamt nicht einmal eine Antwort.
Über 90 Prozent demenziell erkrankt
Besonders erschreckend sind diese Ergebnisse, wenn man einbezieht, was die Verweigerung aufsuchender Impfungen für Wohngemeinschaften heißt: Die Nutzerinnen und Nutzer müssen für Impfungen die lokalen Impfzentren aufsuchen. Was dies bedeutet, umschreibt Claudius Hasenau, der Vorsitzende von wig, so: „Die Nutzerinnen und Nutzer in den Wohngemeinschaften weisen zu über 90 Prozent demenzielle Veränderungen auf. Sie können nicht mit neuen Umgebungen, nicht mit fremden Menschen umgehen. In Stadt- oder Messehallen gebracht zu werden, flößt ihnen Angst ein. Demenzschübe mit katastrophalen Auswirkungen sind vorprogrammiert.“
Was noch dazu kommt: Die Impfung in Impfzentren scheitert an den Ressourcen. 80 Prozent der Pflegedienste, die an der Umfrage teilgenommen haben, geben an, keine Möglichkeit zu haben, die von ihnen betreuten WG-Bewohner in die Impfzentren zu begleiten, da die Angehörigen in drei von vier Fällen dazu nicht in der Lage sind. Für Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel, der viele Pflegedienste in ihrem Kampf um Impfungen in den Wohngemeinschaften unterstützt, ist dies absolut nachvollziehbar: „Kein Dienst weiß, was ihn erwartet, weder im Ablauf der Impfungen, noch in Bezug auf Reaktionen der zu Impfenden. Ich kann nur jedem Dienst davon abraten, sehenden Auges das Risiko einzugehen, sich auf einmal in einer nicht abschätzbaren ,Havarielage‘ wiederzufinden!“ Der wig-Justiziar kommt zu dem Schluss: „Wohngemeinschaften müssen in Bezug auf die Impfstrategie umgehend vollstationären Einrichtungen gleichgestellt werden.“
Über Vincentz Network
Vincentz Network, dessen Fachmagazin Häusliche Pflege die Online-Umfrage durchführte, ist das führende deutsche Fachmedienhaus für alle Berufsgruppen in der professionellen Altenhilfe. Das Portfolio beinhaltet neben Fachzeitschriften, Fachbüchern und Online-Portalen auch Europas größte Fachmesse für die Altenpflege, Fachkongresse, Weiterbildungsangebote, Arbeitshilfen, Wissensdatenbanken sowie innovative digitale Tools und Services. (www.vincentz.de)
Drei Fragen zum NRW-Impfchaos an Claudius Hasenau, Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes wig Wohnen in Gemeinschaft, Gelsenkirchen
Claudius Hasenau: Diese Entscheidung ist völlig unverständlich, denn sie gefährdet das Leben von pflegebedürftigen Hochrisikopatienten und überfordert die Impfzentren. Wir sehen darin außerdem einen klaren Verstoß gegen die Corona-Impfverordnung des Bundes, wonach ambulant begleitete Wohngemeinschaften bei der Impfdringlichkeit mit Alten- und Pflegeheimen gleichgestellt sind. Das werden wir als WG-Fachverband nicht hinnehmen.
CH: Die lokalen Impfzentren sind auf den Umgang mit Demenzkranken nicht vorbereitet. Jeder Ortswechsel und jede Veränderung der Alltagsroutine führt bei ihnen zu großer Unruhe und Unsicherheit. Die Impfzentren werden – wenn erst einmal genügend Impfstoff verfügbar ist – ohnehin vollkommen überlastet sein. Die Impfung von Demenzkranken wird zu einer weiteren Überlastung führen.
CH: Zunächst einmal bedeutet die Vereinbarung und Wahrnehmung von externen Impfterminen durch diesen zumeist in der Mobilität stark eingeschränkten Personenkreis eine enorme logistische Herausforderung. Viel schlimmer aber ist, dass das Land die Mieterinnen und Mieter völlig unnötig einem zusätzlichen, lebensgefährlichen Infektionsrisiko aussetzt. Weiß der Minister nicht, welche Personengruppen in Wohngemeinschaften leben? Oder sind ihm diese Menschen gleichgültig?
CH: Wir halten die aufsuchende Impfung durch ein mobiles Impfteam unter der Leitung der betreuenden Hausärzte zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den vertrauten Räumen der Wohngemeinschaft für die beste Lösung. Diese Einschätzung beruht auf Erfahrung. Wie reibungslos aufsuchende Corona-Impfungen ablaufen können, haben wir in 15 unserer 18 ambulant betreuten Wohngemeinschaften in Gelsenkirchen erleben dürfen. Dort wurden jeweils innerhalb weniger Stunden insgesamt 113 Mieterinnen und Mieter sowie 160 Pflege- und Betreuungskräfte von einem hausärztlichen Team geimpft – ohne einen einzigen Zwischenfall und mit einer dokumentierten Impfbereitschaft von rund 90 Prozent bei den Pflegebedürftigen und den Mitarbeitenden. Für unsere drei Demenz-Wohngemeinschaften in Meinerzhagen wurde uns die aufsuchende Impfung durch das Kreisgesundheitsamt verweigert.
CH: Die Verweigerungshaltung des NRW-Gesundheitsministeriums werden wir nicht hinnehmen. Aktuell bereiten wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedern vor, in welchen Städten und Kreisen den WG’en die aufsuchende Impfung verwehrt wurde oder wird. Gleichzeitig prüfen wir unsere rechtlichen Optionen und suchen das persönliche Gespräch mit Herrn Laumann.
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